Bild nicht mehr verfügbar.

Sujetbild zur Integration Asylsuchender auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Bei Erwachsenen fangen die Herausforderungen erst an.

dpa

Zunächst einmal: Anerkennung. Immerhin hat das Integrationsministerium mittlerweile die Tatsache akzeptiert, dass Asyl und Integration zusammenhängen. Hieß es vor dem Sommer und dem ersten Schwung an Schutzsuchenden in Nickelsdorf noch aus dem Ressort von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz: "Dafür sind wir nicht zuständig", ist es nun unwidersprochene Tatsache: Man ist zuständig – denn Integration beginnt (oder sollte beginnen) von der ersten Stunde des Aufenthalts in Österreich an.

Obwohl: Ganz so ist es auch nicht. Noch immer bleibt Kurz dabei, dass vorgeschriebene – und ergo auch vom Staat bezahlte – Deutschkurse nur jene bekommen sollten, die entweder schon den Asylstatus zuerkannt bekamen oder doch zumindest "Aussicht auf Asyl" haben.

Zweiteilung gefährlich

Diese Zweiteilung ist auch insofern gefährlich, als es sich dabei um eine Art von Vorausscheidung handelt. Wozu noch ein rechtsstaatliches Asylverfahren, wenn ohnehin schon von vornherein fest steht, dass Person X keine Chance hat, Person Y aber schon? Man kann sich gut vorstellen, dass die Asylbehörden die Frage, ob ein Deutschkurs genehmigt wurde oder nicht, als Entscheidungsgrundlage heranziehen.

Dazu kommt noch, dass Asylverfahren in Österreich nun einmal so lange dauern, wie sie dauern. Die Menschen während der langen Wartezeit dazu zu verdonnern, gar nichts zu tun, kann keinesfalls der Weisheit letzter Schluss sein.

Fehlschluss beim Lernen

Was am Integrationskonzept aber besonders auffällt, ist der – weit verbreitete – Fehlschluss, dass einmal Erlerntes dann auch so fest sitzt, dass man erwachsenen Menschen, nach Absolvierung gewisser Pflichtkurse, den "Integriert"-Stempel aufpicken könnte: Deutschkurs bis zu einem bestimmten Level, plus "Werteschulung" acht Stunden lang – passt. Das wird wohl so nicht funktionieren: Wer einmal lesen gelernt hat, muss das trotzdem regelmäßig üben, genauso wie Radfahren, Skifahren, Kopfrechnen – sonst rostet diese Fertigkeit wieder ein.

Recht viel hat man sich für den Schulbereich einfallen lassen: zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, Kombination von Kindergarten und Deutschunterricht für Mütter, Förderklassen und -kurse an den Schulen und in den Ferien. Wenig davon kann das Integrationsressort aus eigener Kraft umsetzen, für vieles bräuchte es einen breiten Konsens – der offenbar nicht einmal mit dem Koalitionspartner SPÖ zu erzielen ist. Aber immerhin wurde in diesen Bereichen besonders lange nachgedacht.

Beschränktes Interesse

Kursorischer ist da schon das Kapitel "Erwachsenenbildung": Hier ist bloß von "strukturierter Sprachförderung" die Rede – und besserer Abstimmung der dafür zuständigen Ressorts.

Zu befürchten steht, dass das allgemeine Interesse der "Integrationswilligkeit" der Zugezogenen dort endet, wo sie einen Arbeitsplatz finden und "nicht alimentiert leben" können, wie es in der Präambel heißt. Genau dort sollte aber das Interesse nicht enden.

Ein Stufenplan, wie er etwa in Kanada existiert, der unterschiedliche Levels der Sprachkenntnis und des Heimischwerdens in einer Gesellschaft berücksichtigt und die Menschen darin unterstützt, an ihrer Qualifikation zu arbeiten und ihr soziales Leben in alle Richtungen zu intensivieren, wäre der richtige – nachhaltige – Ansatz. Er könnte Vereinsamung, dem Gefühl der Ausgeschlossenheit und der Chancenlosigkeit entgegenwirken.

Anreiz für Ältere

Dies wäre ein modernes Verständnis von Integrationspolitik, das man durchaus auch mit Anreizen (statt mit Strafen) garnieren könnte. Er berücksichtigte das Prinzip des "lebenslangen Lernens" und würde im Idealfall bewirken, dass alle Generationen einer Migrantenfamilie am gleichen Integrationsstrang ziehen. Bisher war häufig das Gegenteil der Fall – was wiederum zu familiärer Entfremdung beziehungsweise zu Wut gegenüber dem "System" führte, das den geliebten Eltern keine Chance geben mag.

Die Realität sieht anders aus: Über 50 syrische Ärzte warten, teils bereits seit Jahren, in Wien auf die Anerkennung ihrer Studienabschlüsse. Die Ärztekammer stellt sich auf den Standpunkt "Vorschrift ist Vorschrift" und will den Approbationsvorgang um keinen Millimeter pro Sekunde beschleunigen.

Die Politik streitet derweil ums Geld. Die Kurz-Idee mit der Vermittlung von "Werten" bleibt wohl im Ansatz stecken, wenn nicht einmal klar ist, wer all die zusätzlich erforderlichen Sprachkurse bezahlen soll. Zu befürchten steht, dass am Ende wieder einmal ein Minimalkompromiss steht, mit dem niemandem wirklich geholfen ist. (Petra Stuiber, 24.11.2015)