Als einziges Land, das im Rahmen des sogenannten Arabischen Frühlings seinen Tyrannen loswurde, kommt Tunesien halbwegs gut voran: Nur hier führte ein – freilich diffiziler und immer wieder auf der Kippe stehender – politischer Prozess tatsächlich zu einer neuen Verfassung und zu vergleichsweise stabilen, demokratischen Verhältnissen. Im Westen bekommt das Land dafür Anerkennung: Das Quartett aus Gewerkschaftsverband, Arbeitgeberverband, Anwaltskammer und Liga für Menschenrechte wird für seine Vermittlungsarbeit am 10. Dezember den Friedensnobelpreis in Empfang nehmen.
Doch genau diese Würdigung durch die demokratische Welt schmeckt Extremisten wie jenen der Terrorgruppe "Islamischer Staat" gar nicht. Sie torpedieren Tunesiens Weg mit Terror. Dabei spielt für sie sicher eine große Rolle, dass sich das Land – nicht zuletzt in seiner Verfassung – als muslimisch bezeichnet, aber dennoch an westlichen, demokratischen Werten orientiert.
Doch wie schon bei den Mordanschlägen auf linke Oppositionelle 2013 oder bei den Angriffen auf das Bardo-Museum in Tunis und auf einen Urlauberstrand in Sousse im Frühjahr und Sommer: Für viele Tunesier – so lassen es ihre Reaktionen in klassischen Medien sowie auf Facebook und Twitter erkennen – kommt es nicht infrage, von jenem Weg abzugehen, für den sie so lange, beharrlich und vor allem mutig eingetreten sind. (Gianluca Wallisch, 25.11.2015)