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Kenneth Rogoff ist Wirtschaftsprofessor in Harvard und war Chefökonom des IWF.

Foto: Reuters / Eduardo Munoz

Erst vor fünf Monaten sagte Larry Fink, Chef von Blackrock, dem weltgrößten Vermögensverwaltungsunternehmen, dass zeitgenössische Kunst sich inzwischen international zu einer der beiden bedeutendsten Aufbewahrungsarten für Vermögen entwickelt habe. Die andere seien Apartments in Großstädten wie New York, London und Vancouver. Vergessen Sie Gold als Absicherung gegen die Inflation, kaufen Sie Bilder.

Ich für meinen Teil bin über diesen Trend nicht gerade erfreut. Ich neige dazu, dem Philosophen Peter Singer zuzustimmen, dass die obszönen Beträge, die derzeit für Spitzenbeispiele moderner Kunst gezahlt werden, verstörend sind.

Wir alle sind uns einig, dass diese Summen gigantisch sind. Im Mai wurde Pablo Picassos "Die Frauen von Algier" bei Christie's in New York für 179 Millionen Dollar (167 Mio. Euro) versteigert; 1997 kostete das Werk noch 32 Millionen. Nun könnte man sagen, es ist eben ein Picasso. Aber das war noch nicht einmal der höchste in diesem Jahr gezahlte Verkaufspreis. Ein Schweizer Sammler hat bei einem privaten Verkauf angeblich fast 300 Millionen Dollar für Paul Gauguins "Nafea faa ipoipo" aus dem Jahre 1892 bezahlt.

Preisorgie

Picasso und Gauguin sind tot. Die Zahl ihrer Gemälde ist bekannt und begrenzt. Doch erstreckt sich die jüngste Preisorgie auch auf eine beträchtliche Anzahl lebender Künstler, angefangen beim Amerikaner Jeff Koons und dem Deutschen Gerhard Richter und weit die Nahrungskette hinunter.

Für Ökonomen wirft diese Spekulationsblase im Bereich der Kunst viele faszinierende Fragen auf. Eine besonders interessante freilich ist, wer eigentlich so viel Geld für hochwertige Kunstwerke auszugeben bereit ist. Die Antwort darauf ist nicht einfach, weil der Kunstmarkt extrem undurchsichtig ist. Tatsächlich ist Kunst die letzte große unregulierte Anlagemöglichkeit.

Es ist viel geschrieben worden über die Gemäldesammlungen von Hedgefonds-Managern und private Beteiligungsfonds im Bereich der Kunst (bei Letzteren erwirbt man im Wesentlichen Anteile an Kunstsammlungen, ohne jemals irgendetwas wirklich selbst in Besitz zu nehmen).

Tatsächlich sind es inzwischen in vielen Fällen Käufer aus Schwellenmärkten, oft Chinesen, die bei Preisschwankungen zuschlagen und dabei ihre Käufe häufig anonym tätigen. Aber hat China nicht ein System strenger Kapitalkontrollen eingeführt, das seine Bürger hindert, mehr als 50.000 Dollar jährlich außer Landes zu bewegen? Ja. Aber es gibt viele Möglichkeiten, Geld nach China hinein und wieder heraus zu verschieben, darunter die bewährte Methode der Ausstellung zu niedriger bzw. überhöhter Rechnungen.

Westlicher Importeur

So kann ein chinesischer Verkäufer etwa, um Geld aus China herauszuschaffen, einen Dollarwert deklarieren, der deutlich unter dem liegt, der ihm von einem kooperierenden westlichen Importeur für seine Ware tatsächlich gezahlt wurde. Der Differenzbetrag wird dabei auf einem ausländischen Bankkonto deponiert.

Es ist äußerst schwierig, die Kapitalflucht zu beziffern. Viele Schätzungen beziffern die Kapitalflucht der letzten Jahre aus China auf etwa 300 Milliarden Dollar jährlich, wobei es angesichts der anhaltenden Konjunkturabschwächung im Lande 2015 eine deutliche Zunahme gegeben habe. Die stets wachsamen chinesischen Behörden gehen hart gegen die Geldwäsche vor, doch angesichts der andererseits bestehenden enormen Anreize ist dies ein fruchtloses Bemühen.

Vermutlich haben die anonymen chinesischen Käufer der jüngsten Auktionen bei Sotheby's und Christie's ihr Geld bereits vor Abgabe ihrer Gebote außer Landes geschafft, und die Gemälde sind einfach ein Anlagevehikel, das sich besonders leicht im Geheimen halten lässt. Diese Kunstwerke werden noch nicht einmal zwangsläufig irgendwo gezeigt: Es ist gut möglich, dass sie einfach in einer Tresorkammer mit Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsregelung in der Schweiz oder in Luxemburg verschwinden. (Kenneth Rogoff, Portfolio, 2.12.2015)