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Die Berkshares haben sich in einem Teil der USA als alternatives Zahlungsmittel etabliert.

Foto: Reuters / Scott Malone

Die Globalisierung hat die Länder dieser Erde nicht nur näher zusammengebracht, sie hat auch zu einer Beschleunigung beigetragen. Immer schneller werden Produkte rund um den Globus geschickt, und Trends werden immer kurzweiliger. In dieser Hektik entwickelt sich ein Phänomen, das mittlerweile ebenfalls weltumspannend ist: die Rückkehr zur Regionalität samt eigener Währung.

Immer wieder genannte Beispiele für das Regiogeld sind etwa der Chiemgauer in Deutschland oder der Waldviertler in Österreich. Beispiele für diese alternativen Währungen gibt es aber viele. So hat etwa die Stadt Villeneuve-sur-Lot im Südwesten Frankreichs 2010 mit L'abeille ihre erste Regionalwährung eingeführt, und im englischen Bristol kann seit 2012 in mehr als 800 Einrichtungen mit dem Bristol-Pound gezahlt werden. Allein in Spanien gibt es bereits mehr als 30 Regionalwährungen, die Boniato, Ecosol, Puma oder Mora heißen und von Andalusien bis ins Baskenland im Umlauf sind.

Lokal verwaltet

Mehr als 100 Regionalwährungen gibt es mittlerweile in Europa – viele davon sind erst in den vergangenen Jahren entstanden, weil die Bevölkerung im Trubel der weltweiten Finanzkrise nach einem System gesucht hat, das nicht von den großen Mächten irgendwo da draußen regiert, sondern lokal verwaltet wird. Angeheizt wurde der Gründungsboom bei den alternativen Währungen auch durch die in der Finanzkrise lang anhaltende Diskussion darüber, ob die 2002 in Umlauf gebrachte Gemeinschaftswährung Euro den wirtschaftlichen Schwächen einzelner Länder standhalten können wird.

Selbst im Finanzzentrum New York regiert nicht nur ausschließlich der US-Dollar. Zu den bekanntesten alternativen US-Währungen zählen die Berkshares, die 2006 im Bezirk Berkshire im Westen von Massachusetts ausgegeben wurden.

Aber warum entstehen im digitalen Zeitalter, in dem Fintechs daran arbeiten, den Zahlungsverkehr einfacher, schneller und bargeldlos zu machen, so viele alternative Geldsysteme? "80 Prozent des Geldes verlässt die Region, wenn es bei einem multinationalen Unternehmen ausgegeben wird. Aber 80 Prozent bleiben, wenn es bei einem örtlichen Händler in die Kasse kommt", zitiert die "Welt" Ciaran Mundy, Mitbegründer der Bristol-Pounds, zur Idee des neuen Geldes befragt.

Regiogeld im Kleinen

Während die Notenbanken weltweit also darum kämpfen, mit billigem Geld die Wirtschaft anzukurbeln, funktioniert das im Kleinen mit dem Regiogeld. Der Weg zurück zu den Ursprüngen des Währungssystems – zum klassischen Austausch von Waren und Dienstleistungen – funktioniert in diesen kleinen Systemen ohne Spekulation. Regionale Währungen – so der große Traum dahinter – sollen Regionen und Länder weniger abhängig von der volatilen Weltwirtschaft und von den großen Banken machen. Vor allem in Krisenzeiten schaffen diese alternativen Systeme damit auch eine Art sozialen Zusammenhalt.

Und weil die lokalen Währungen oftmals mit einem besonderen Anreiz verbunden sind, ist der Zulauf entsprechend. So kosten etwa 100 Berkshares nur 95 US-Dollar. Dieser Rabatt wird für Konsumenten zum Vorteil, wenn lokal eingekauft wird – und die Wertschöpfung bleibt in der Region. In Spanien funktioniert das System ähnlich wie Bonusprogramme: Geschäfte, die die Parallelwährung akzeptieren, schreiben für jeden Einkauf in Euro dem Kunden eine Gutschrift in der alternativen Währung gut. Mit den gesammelten Werten können dann Waren und Dienstleistungen bezahlt werden.

Stille Akzeptanz

Was in der Zusammenfassung zwar recht idyllisch klingt, hat aber nicht nur Anhänger. Als Geschenkgutscheine werden die Regiogelder gern verschrien. Und eine Wertschöpfung funktioniere auch nur dann, wenn lokale Unternehmen bei Qualität und Service wettbewerbsfähig bleiben. Sonst stellen lokale Händler keine Alternative dar, heißt es. Von den Notenbanken werden diese Währungssysteme, die in den meisten Fällen mehr einem Tauschring ähneln, akzeptiert – solange sie nicht zu große Dimensionen annehmen.

Für einen langfristigen Erfolg komplementärer Währungssysteme braucht es die Akzeptanz der breiten Bevölkerung. "Alternativwährungen haben in der Krise eine besondere Bedeutung errungen, da sie in einer Konjunktur mit mehr als 25 Prozent Arbeitslosigkeit und drastischen Einkommenseinbußen die lokale Wirtschaftstätigkeit fördern", sagt Álvaro Martín Enríquez, Leiter der Beratungsfirma für Innovation AFI mit angeschlossenem Institut für Finanzstudien zu swissinfo.ch. Je unsicherer die Zeiten, desto mehr Gegenvorschläge zum System werden geboren.

Und manche dieser Alternativen halten auch lang, wie die Schweiz zeigt. Den 1934 als Antwort auf die große Depression von 1929/1930 eingeführten Wir als Zweitwährung gibt es noch immer. Rund 60.000 Schweizer benutzen diese Alternative noch heute. Rund 20 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe bezahlen ihre Eingänge und Investitionen mit dem Wir. Die Umsätze mit dieser Alternativwährung belaufen sich jährlich auf umgerechnet rund 1,6 Milliarden Euro.

Es gibt eine Wir-Bank, die – samt dem System Wir – von der Nationalbank überprüft wird, um Transparenz und Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten. Insofern kann man sagen, dass in der Schweiz zwei anerkannte Währungen im Umlauf sind. Die Eidgenossen sind damit eines der Länder mit der längsten Tradition in Sachen Parallelwährungen. Mittlerweile gibt es auch den Schweizer BonNetzBon, mit dem etwa auch jenseits der Grenze im benachbarten Elsass gezahlt werden kann.

Digitale Konkurrenz

Neben diesen regionalen Alternativsystemen haben sich in den vergangenen Jahren auch überregionale Parallelwährungen etabliert, die auf eine neue Technologie setzen und ohne Bankensystem funktionieren. Solch eine Währung ist etwa die Digitalwährung Bitcoin. "Mit einem neuartigen Zahlungsverkehrsansatz und der sogenannten Blockchin-Technologie eröffnen sie andere Möglichkeiten als die etablierten Währungen", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank.

Für einige Anwendungen des Internets – etwa für automatisierte Transaktionen zwischen Maschinen – eigne sich diese Technologie gut. Zudem sei das Zahlungsverkehrssystem in dieser Form sehr kostengünstig. Insgesamt könnte die Bitcoin-Technologie laut Kater damit eine wichtige Funktion in der digitalisierten Industriewelt von morgen einnehmen.

Inwieweit sich Bitcoin und Co durchsetzen können, ist auch eine juristische Frage, "denn eigentlich verfügen die Staaten über ein Monopol zur Ausgabe von Währungen, das sie sich durch private Währungen nicht nehmen lassen werden", sagt Kater. Und er gibt zu bedenken, dass man auch mit alternativem Geld früher oder später auf die gleichen Probleme stoße wie mit offiziellen Währungen – etwa, wenn Schuldner nicht mehr zahlen können. Für den Ökonomen sind die Parallelwährungen daher "Versuche, nur die guten Seiten von Währungen zu sehen und zu erleben".

Crash nach dem Höhenflug

Dass eine digitale Währung ein komplexes Gut ist, zeigen Bitcoins deutlich. Die Währung hat nach einem Höhenflug einen Crash hinter sich, Handelplattformen wurden gesperrt, reales Geld vernichtet, und mehrere Notenbanken haben vor dem Digitalgeld gewarnt. Dennoch schafften Bitcoins den Sprung in die reale Welt und werden in einigen Lokalen als Zahlungsmittel akzeptiert.

Auch wenn Bitcoins nicht mehr die Förderung der lokalen Wirtschaft im Sinne haben, so eint all diese Systeme doch eines: "Die Sehnsucht, die Probleme der Politik und Hochfinanz zu vermeiden, wenn man die Währung näher vor der Haustüre hat", fasst Kater zusammen. (Bettina Pfluger, Portfolio, 23.12.2015)