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Immer mehr Anleger achten darauf, dass ihr Geld in Unternehmen mit möglichst CO2-armer Produktionsweise arbeitet.

Foto: dpa / Patrick Pleul

Vom Klimawandel bleiben auch die Finanzmärkte nicht verschont. Mehr Anleger als jemals zuvor achten darauf, dass ihr Geld nicht nur eine gute Rendite abwirft, sondern in Unternehmen arbeitet, die ethisch über jeden Verdacht erhaben sind. Zur Ethik gehört auch und gerade in Zeiten der Energiewende eine möglichst CO2-arme Produktionsweise.

Durch bewusste Lenkung des Kapitals haben es Privatanleger in der Hand, zum Klimaschutz beizutragen. Sie können in Unternehmen investieren, die möglichst wenig Treibhausgase ausstoßen, sie können ihr Geld aber auch Fonds anvertrauen, die Unternehmen mit einer möglichst guten CO2-Bilanz in ihrem Portfolio haben. Dank des Montréal Carbon Pledge gibt es erstmals die Möglichkeit, das CO2-Gewicht einzelner Unternehmen und damit auch den indirekten Kohlenstoffausstoß ganzer Fonds festzustellen.

Diese Initiative ist vor etwas mehr als einem Jahr gestartet worden. Anlass war ein Treffen der von den Vereinten Nationen bereits 2006 initiierten "Principles for Responsible Investments"-Arbeitsgemeinschaft in der kanadischen Metropole. Ziel des Montréal Carbon Pledge ist es, mehr Licht in das Dunkel der CO2-Fußabdrücke zu bringen und langfristig zu deren Verringerung beizutragen. Mehr als 100 institutionelle Investoren sind der Initiative inzwischen beigetreten. Aus Österreich haben sich die Sparinvest AG (Erste Asset Management) sowie die VBV Vorsorgekasse AG zu den Prinzipien des Montréal Carbon Pledge bekannt.

Die Unterzeichner verpflichten sich, den CO2-Fußabdruck ihrer Portfolios auf jährlicher Basis zu messen und zu veröffentlichen. Die Ermittlung des Fußabdrucks erfolgt in einem mehrstufigen Prozess: Alle Unternehmen, deren Aktien in einem Fonds vertreten sind, werden durch externe Research-Agenturen auf ihre Treibhausgasemissionen abgeklopft. Dann wird die gewichtete Summe des Emissionsausstoßes jedes Unternehmens in allen Fondsportfolios berechnet.

Gewichteter Fussabdruck

Der gesamte CO2-Fußabdruck wird sodann durch Gewichtung über alle Fonds hinweg ermittelt. Die Gewichtungen ergeben sich aus dem Anteil der Fonds am Gesamtvermögen. In die Ermittlung des CO2-Fußabdrucks fließt der Ausstoß aller sechs vom Kioto-Protokoll definierten Treibhausgase ein: Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O), Schwefelhexafluorid (SF6) sowie HFC und PFC, zwei Fluorkohlenwasserstoffe.

Der Ausstoß der Gase wird zwecks Vergleichbarkeit in einen Kohlendioxid-Äquivalenzwert umgerechnet. Investoren können auf einen Blick sehen, wie stark die Investments an der Emission von Treibhausgasen beteiligt sind.

Der Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft dürfte sich in den nächsten Jahren zu einem mächtigen Trend entwickeln, schätzen Experten. Und das nicht nur in Europa, das seit langem als Vorreiter in Sachen Klimaschutz gilt. Diesen Sommer etwa hat ein neuer Klimaplan in den USA die Schiefergasindustrie getroffen.

Das Weiße Haus hat sich nämlich von seiner bisherigen Unterstützung von Erdgas als saubererer Alternative zu Kohle verabschiedet und den Schwerpunkt auf erneuerbare Energien verlagert. Durch einen höheren Anteil von Strom aus Wind oder Sonne kann das Land mit weniger fossil betriebenen Kraftwerken auskommen. Das bedeutet in der Folge weniger Treibhausgasemissionen.

Die Internationale Energieagentur IEA in Paris schätzt, dass zusätzlich rund 1000 Milliarden US-Dollar, umgerechnet 938 Milliarden Euro, in saubere Energien investiert werden müssten, wenn die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf ein akzeptables Maß von etwa zwei Grad Celsius begrenzt werden soll.

Investoren mit Gespür für Entwicklungen, aber auch Fondsgesellschaften werden nach Expertenmeinung ihr Engagement verstärkt auf Unternehmen auszudehnen trachten, die voraussichtlich von dieser langfristigen Verschiebung profitieren. Umgekehrt scheint es ratsam, Investitionen in Firmen und Sektoren zu überdenken, die mittel- bis langfristig wahrscheinlich zu den Verlierern dieses Megatrends gehören werden.

Eine Frage der Ethik und mehr

Zuerst waren es "ethische" Investoren wie einige US-Familien- und Collegestiftungen, die aus klimapolitischen Erwägungen bestimmte Papiere abgestoßen haben, etwa Aktien von fossilen Energieunternehmen. Inzwischen sind es auch milliardenschwere US-Pensionsfonds, die ihre Investitionsstrategie allmählich verändern. Der Druck auf herkömmliche Energiekonzerne nimmt auch aufseiten des Kapitalmarktes zu.

Erst im Sommer rückte der norwegische Pensionsfonds, in dem die Öleinnahmen des Landes für künftige Generationen angelegt sind, von seiner bisherigen Anlagestrategie ab. Nach einem Beschluss des norwegischen Parlaments wurden die Manager des weltgrößten Staatsfonds angehalten, Anteile an Energie- und Bergbauunternehmen zu verkaufen, bei denen Kohle mehr als 30 Prozent am Geschäft ausmacht.

"Investitionen in Kohle können ein Risiko für das Klima und ein künftiges finanzielles Risiko bedeuten", schilderte Svein Flåtten, Abgeordneter der regierenden Konservativen Partei, die Beweggründe. Er verwies auf den Kampf gegen die Erderwärmung und eine mögliche Abwertung fossiler Energien. Kritiker dieser Strategie monieren, dass der Verkauf von Anteilen keine Probleme löse. Schließlich erwerbe ein anderer Investor die Aktien und ermögliche die Fortsetzung der als unmoralisch empfundenen Geschäfte.

Umdenkprozess

Und dennoch: Ein Umdenkprozess ist im Gang – und der hat stark mit finanziellen Erwartungen zu tun. Die Bank of England hat erst kürzlich wieder gewarnt, große Teile der Kohle-, Öl- und Gasvorkommen könnten wertlos werden, wenn sich die Staaten bei der Weltklimakonferenz in Paris auf harte Klimaschutzmaßnahmen einigten.

Davon unabhängig überlegt man bei Sparinvest schon eine Ausweitung des Programms. Nach erfolgreicher Umsetzung der Aktivitäten im Aktienbereich könnten auch Unternehmens- oder Staatsanleihen daraufhin abgeklopft werden, wie viel CO2 dahintersteckt. Langfristig könnten dann auch Pläne zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks in den Portfolios umgesetzt werden. (Günther Strobl, Portfolio, 18.12.2015)