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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bezeichnet den Abschuss des russischen Jets als "automatische Reaktion".

Foto: APA / EPA / TURKISH PRESIDENT PRESS

Ankara/Moskau – Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe dominieren weiterhin Vorwürfe das Verhältnis zwischen Ankara und Moskau. "Die türkische Regierung führt die Beziehungen (zwischen Russland und der Türkei) absichtlich in eine Sackgasse", sagte der russische Präsident Wladimir Putin am Donnerstag. Er erwarte weiterhin eine Entschuldigung Ankaras. Sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan verlangte hingegen eine Entschuldigung Moskaus für die "Verletzung unseres Luftraums". Den Abschuss bezeichnete er als "automatische Reaktion" im Rahmen der militärischen Vorgaben.

Nach türkischer Darstellung reagierte Ankara mit dem Abschuss auf eine Luftraumverletzung des russischen Jets. Russland beharrt dagegen darauf, dass die Maschine nicht in türkisches Hoheitsgebiet eingedrungen sei.

Wirtschaftssanktionen

Zugleich kam es zu wirtschaftlichen Konsequenzen: Russlands Premier Dmitri Medwedew kündigte an, dass gemeinsame Investitionsprojekte auf Eis gelegt werden. Er ordnete an, dass das Kabinett innerhalb von zwei Tagen eine Liste "breit angelegter Maßnahmen" unter anderem im Tourismus, Handel und Flugverkehr erarbeiten soll. Der "aggressive Akt" der Türkei bleibe nicht ohne Antwort, erklärte Medwedew russischen Agenturen zufolge.

Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew sagte, auch der Bau der Turksteam-Pipeline könnte Einschränkungen unterliegen. Zudem würden Kontrollen für Lebensmittelimporte aus der Türkei verschärft. Erdoğan bezeichnete die angedrohten Maßnahmen als eine "emotionale Entscheidung", die für Politiker unpassend sei.

Zuvor hatte es noch Anzeichen für Entspannung gegeben: Beide Seiten könnten sich "den Luxus eines unfreundlichen Verhältnisses" nicht leisten, hatte der türkische EU-Minister Volkan Bozkır erklärt. Auch von Bemühungen um direkten Kontakt auf höchster Ebene wurde am Donnerstag berichtet: Nach Angaben der regierungsnahen türkischen Zeitung "Yeni Şafak" plante Erdoğan am Rande des UN-Klimagipfels in Paris am 30. November mit Putin zu telefonieren.

Schutzmacht der Turkmenen

Der Abschuss lenkt die Aufmerksamkeit auch wieder auf die Lage der Turkmenen in Syrien: Das türkische Außenministerium erklärte schon am Freitag vergangener Woche, Moskau würde Luftangriffe auf turkmenische Dörfer im Nordwesten Syriens fliegen, und drohte mit "ernsten Konsequenzen". Die Türkei, die eine Schutzmacht der Turkmenen sei, werde Angriffen auf diese Gruppe nicht tatenlos zusehen.

Erdoğan erklärte auch am Donnerstag, dass Ankara weiterhin moderate Rebellen und turkmenische Kämpfer in Syrien unterstützen werde, während russische Kampfjets Aktivisten zufolge syrische Rebellen in einer Bergregion angriffen, in der viele Turkmenen leben.

Zuvor war am Mittwochabend ein Hilfskonvoi nahe der türkisch-syrischen Grenze von einem Luftangriff getroffen worden. Bei dem Vorfall nahe der Stadt Azaz wurden mindestens drei Menschen getötet und 20 Laster zerstört. Wer den Angriff geflogen hat, blieb zunächst unklar, Augenzeugen und Hilfsorganisationen gehen aber von einem russischen Luftschlag aus. (red, 26.11.2015)