Athen – Der Auftakt zum Schmiergeldprozess gegen frühere Siemens-Manager am Freitag in Athen war denkbar kurz: Nachdem der Vorsitzende Richter Sotiris Tsiberis die Legitimität der anwesenden Strafverteidiger festgestellt hatte, verschob er die Fortsetzung des Verfahrens auf den 15. Dezember.

Auch dann bleibt fraglich, ob der Prozess an Fahrt aufnimmt. Weil die Anklageschrift nur auf griechisch vorliegt, werden die deutschen Angeklagten Rechtsmittel einlegen, vermuten griechische Medien.

Knapp 70 Millionen Euro Schmiergeld sollen frühere Siemens-Mitarbeiter nach 1997 gezahlt haben, um einen Großauftrag vom griechischen Telekommunikationsunternehmen OTE zu erhalten. Angeklagt ist auch der frühere Siemens-Chef und Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer. Er reist vorerst nicht zum Prozess, sondern wird durch seine Anwälte vertreten. Ihm wird vorgeworfen, dass er als Vorstandschef das Schmiergeld-System bei Siemens gekannt und unterstützt habe. Der Ex-Manager hatte eine Verwicklung in die Affäre immer von sich gewiesen.

Zwei Stunden Arbeitsniederlegung

Auch von den anderen Angeklagten nahmen am Tag des Prozessauftakts nur 30 persönlich teil. Fraglich war von Beginn an, ob die Verhandlung überhaupt eröffnet werden kann. Die Gerichtsmitarbeiter in Griechenland legen seit Monaten jeden Tag vormittags für zwei Stunden die Arbeit nieder, um gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen zu protestieren. So war nicht abzusehen, ob im Laufe des Freitags überhaupt Zeit für den Prozessbeginn bleibt. Zudem war für die Verhandlung lediglich ein kleiner Raum im vierten Stock des Gerichtsgebäudes reserviert worden – nach Medienangaben zu klein, um den rund 200 Prozessbeteiligten Platz zu bieten.

Griechische Medien sprachen angesichts der schlechten Vorbereitung des Prozesses von einer Farce. So wurde die mehr als 4.500 Seiten starke Anklageschrift bisher nicht ins Deutsche übersetzt, weil das Athener Justizministerium angeblich die rund 100.000 Euro für die Übersetzung nicht aufbringen konnte. Das jedoch verstößt nach Auffassung von Experten gegen das Recht des Angeklagten – in diesem Fall der 13 deutschen ehemaligen Siemens-Manager – sich in vollem Umfang über die Anklage informieren zu können. (APA, 27.11.2015)