Wien – Dass "A Phenomenology of Pop" längst begonnen hat, wird nicht sofort aufgefallen sein. Während noch hereingeströmt wird, tasten sich bereits lange Töne schüchtern ihren Weg durch den Berio-Saal. Ein fließender Übergang gewissermaßen, ein langsames Erwachen der Komposition aus dem Geiste der Improvisation.

Pia Palmes Under Elephantine Skin (to be sung against a continuum of ignorance) bewirkt letztlich aber vor allem Alte-Musik-Assoziationen. Im Duett mit einer eigenwillig gestimmten Theorbe changiert Counter Jakob Huppmann zwischen delikaten Hochtönen, Texten und fantasiesprachlichen Exkursen. Es schimmert in reizvollen vokalen Momenten John-Dowland-Poesie durch. Insgesamt jedoch löst sich das Stück nicht von seinem dramaturgischen Minimalismus.

Electric Indigos Barry Duffman kommt dann noch stärker in den Genuss filmischer Untermalung. Die Videokünstler Louise Linsenbolz und Thomas Wagensommerer (TE-R) erwecken rätselhafte Atmosphären (ein bisschen wie bei Lost Highway von David Lynch). Die mitunter ekstatisch vorbei- oder in den Magen rauschenden Geräuschflächen, die punktuell rhythmisch markant strukturiert wurden, gehen mit den Bildern in Summe durchaus reizvolle Koexistenzen ein.

Jorge Sánchez-Chiongs Compilation 1: Disco Hurt Me in a Lot of Ways wirkte allerdings letztlich am unabhängigsten von der Bilderhilfe; wobei das eingesetzte Material (dekonstruiert, neu zusammengesetzt) die Folge einer Fleißaufgabe war. In den letzten beiden Jahren habe er, so der Komponist, Songs gesammelt, die in den Billboardcharts erstplatziert waren. Der durchforschte Zeitraum: 1958 bis zur Gegenwart!

Mit Perkussionist David Christopher Panzl greift Sánchez-Chiong (Turntables, Elektronik) dann auch live in sein Komponiertes ein. Zum Finale, wie sich rhythmische Strukturen in exzentrischer Stop-and-go-Manier widerborstig entfalten, wähnte sich das Ohr von einer findigen Neudeutung von Clubbingrhythmen umgarnt, auf die Lichter einer imaginären Discokugel fielen. (Ljubiša Tošic, 27.11.2015)