Ein einsamer Rufer in der Eiswüste: Claude Lorius in "Zwischen Himmel und Eis" von Luc Jacquet.

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Die politische Kraft der Sonnenblume: This Changes Everything" von Avi Lewis.

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Angesichts der Filmbilder der ersten wissenschaftlichen Expedition, die Claude Lorius als junger französischer Geologe in die Antarktis unternahm, fühlt man sich an die Tagebuchnotizen von Robert Scott erinnert. Denn so amateurhaft die historischen Aufnahmen von 1955, die Lorius und andere Teilnehmer bei ihrer täglichen Arbeit im Eis zeigen, heute auch wirken, ist an ihnen die generalstabsmäßige Vorbereitung jedes Handgriffs zu erkennen.

Im Gegensatz zu Scott, der 1912 beim Versuch, als erster Mensch den Südpol zu erreichen, auf dramatische Weise ums Leben kam, war das Heimkommen für Lorius kein Problem. Seine Faszination für die Antarktis ging indes so weit, dass er für Jahrzehnte immer wieder zurückkehren sollte.

In Zwischen Himmel und Eis des oscarprämierten französischen Dokumentarfilmemachers Luc Jacquet (Die Reise der Pinguine) taucht Lorius wie ein Prophet auf, dessen Erkenntnisse die Welt heute höchstens zur Kenntnis nimmt. Aus dem Geologen wurde einer der populärsten Glaziologen und Klimaforscher, der sich mithilfe der von ihm entwickelten Eisbohrungen einen Namen machte: Aufgrund der im antarktischen Eis eingeschlossenen Luftbläschen konnte Lorius hunderttausende Jahre Klimageschichte nachzeichnen – und beweisen, dass die Erderwärmung menschliche Ursachen hat und unumkehrbar ist.

Zwischen Himmel und Eis versteht sich als Porträt, funktioniert aber als Lehrfilm, der sich auf sein historisches Material verlässt. Die chronologisch montierten Archivaufnahmen von Lorius' Expeditionen, die eine wissenschaftliche Karriere nachzeichnen, lässt Jacquet lebendig aus dem Off kommentieren (in der deutschen Fassung: Max Moor), während in aktuellen Aufnahmen der heute 83-jährige Forscher über Schneefelder wandert und nachdenklich aufs Südpolarmeer blickt. Es sind Momente später Ruhe, die der Umtriebigkeit früherer Jahre gegenüberstehen.

Doch dem Alltag im ewigen Eis gewinnt Jacquet – anders als Werner Herzog in Begegnungen am Ende der Welt – erstaunlich wenig Interesse ab, zu sehr steht das Außergewöhnliche der Expeditionen im Vordergrund: Jacquet zeichnet Lorius als einsamen Rufer, der der Politik nur die Grundlagen für Entscheidungen liefern konnte – und bekräftigt mit seinem Film ein Ohnmachtsgefühl angesichts globaler Zerstörung.

Schuld sind gar nicht wir

Perspektivenwechsel: Sie habe Filme über den Klimawechsel immer gehasst, sagt Naomi Klein. "Sie sind langweilig, arbeiten mit Mutmaßungen, und immer gibt es Eisbären zu sehen." In dem Dokumentarfilm This Changes Everything, den sie gemeinsam mit ihrem Mann Avi Lewis realisiert hat, will sie es anders machen. Klein argumentiert wie in ihrem gleichnamigen Bestseller, dass nicht wir, nicht die menschliche Lebensweise per se an der Klimamisere schuld seien, sondern der Kapitalismus und damit eine Elite von Unternehmern, die Ressourcen hemmungslos ausbeutet.

Als Reaktion darauf bieten Lewis und sie eine Art Instruktionsfilm, der über den Erdball verstreute Graswurzelbewegungen porträtiert, die erfolgreich – oder öffentlichkeitswirksam – gegen Umweltsünder aktiv wurden. In Kanada, ihrer Heimat, behandelt Klein den Raubbau an den Athabasca-Ölsanden, der Eingeborenen die Lebensgrundlage entzieht, in Indien einen Kraftwerksboom, der von der Bevölkerung zumindest zeitweise gestoppt werden konnte, in Griechenland ein Goldminenprojekt, gegen das sich seit Jahren Widerstand richtet, das aber wichtige Devisen ins bankrotte Land bringen würde.

Klein hat ihre Beispiele gut gewählt, sie spiegeln in ihren jeweiligen Dimensionen den maßlosen Zugriff auf die Natur, der ohne große Rücksicht auf Folgeschäden agiert, treffend wider. Wie vergleichbare Dokumentationen über politische Handlunsgweisen leidet This Changes Everything allerdings auch an dem Umstand, dass sich unmittelbare Betroffenheit nicht einfach übersetzen lässt. Damit der persönliche Kampf überschlägt in Aktivismus, benötigte es etwas mehr als die Anschauung – einen Teil der Empörung. (Dominik Kamalzadeh, Michael Pekler, 2.12.2015)