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Proteste vor einem Kohlekraftwerk in Hamburg.

Foto: APA/EPA/CHRISTIANÜCHARISIUS

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am Eröffnungstag der Pariser Klimakonferenz natürlich dabei. Sie hat auch schon klare Vorstellungen, was am Ende der Mega-Tagung herauskommen soll: Eine völkerrechtliche Verbindlichkeit des angestrebten globalen Klimaschutzabkommens. "Deutschland wird sich hier intensiv einbringen", sagt Merkel. Außerdem will die Kanzlerin, dass die nationalen Emissionsziele künftig möglichst alle fünf Jahre überprüft werden.

Allerdings dürfte die Konferenz für die deutsche Delegation, die von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) angeführt wird, nicht ganz einfach werden. Denn kurz vor dem Treffen in Paris wurde der deutschen Regierung attestiert, dass ihre eigenen Klimaziele verpassen wird, wenn sie nicht noch mehr Maßnahmen ergreift. Und es waren nicht Ökogruppen oder die Grüne Opposition, die darauf hinwiesen, sondern Experten, die die Regierung beraten.

Das Gremium unter Vorsitz des Klimaforschers Andreas Löschel, konstatiert immerhin, die Energiewende komme "voran". Doch das zentrale Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, sei "erheblich gefährdet", monieren die Experten.

Deutschland könne sein Ziel nur noch dann schaffen, wenn die Emissionen bis 2020 jährlich im Durchschnitt um 28 Millionen Tonnen CO2 gesenkt würden. In den Jahren 2000 bis 2014 lag der Jahresdurchschnittswert bei kaum mehr als neun Millionen Tonnen. Das Tempo für die Minderung müsste also in den wenigen Jahren bis 2020 "mindestens verdreifacht werden".

"Wir schaffen das"

Die Regierung gab daraufhin die Losung der Bundeskanzlerin in der Flüchtlingsfrage auch für die Klimaziele aus und erklärte:_"Deutschland schafft sein Klimaziel." Doch der deutliche Hinweis der Experten ist für die Regierung unangenehm.

Denn die Berliner Ziele für den Klimaschutz sind ehrgeizig. Die EU will auch die Kohlendioxid-Emissionen um 40 Prozent herunterfahren – allerdings gibt sie sich bis 2030 Zeit. "Klimakanzlerin" Merkel will schon zehn Jahre früher am Ziel sein – und das, obwohl die Bundesrepublik gleichzeitig aus der kohlendioxidarmen Atomkraft aussteigt.

Merkel aber kann schlecht als Lehrmeisterin für die anderen Staaten auftreten, wenn nun daheim in Deutschland ihre eigenen Ziele in Gefahr sind.

Eigentlich hatte Deutschland große Pläne. Die hochgesteckten Klimaziele und die Energiewende made in Germany sollten nicht nur den Deutschen selbst dienen, sondern der Welt ein Vorbild sein. Eingeleitet hat die Energiewende die rot-grüne Regierung (1998 bis 2005). Sie war es, die den Ausstieg Deutschlands aus der Atomkraft und den Ausbau der erneuerbaren Energien einleitete.

Fukushima änderte alles

Doch als Merkel 2009 mit der damaligen CDU/CSU/FDP-Regierung an die Macht kam, legte sie den Rückwärtsgang ein. Deutsche Atommeiler sollten doch wieder länger am Netz bleiben.

Dann aber ereignete sich am 11. März 2011 die nukleare Katastrophe von Fukushima – und die kühle Physikerin Merkel teilte den verblüfften Deutschen mit, jetzt sei in Deutschland aber noch früher Schluss mit der Atomkraft. "Das Restrisiko der Kernenergie habe ich vor Fukushima akzeptiert", sagte sie bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag und betonte auch: "Die dramatischen Ereignisse in Japan sind ein Einschnitt für die Welt, ein Einschnitt für mich ganz persönlich."

Bis 2022 vom Netz

Noch 2011 beschloss Schwarz-Gelb das Aus für acht Kernkraftwerke. Die noch in Betrieb befindlichen acht Reaktoren müssen bis spätestens 2022 vom Netz gehen.

Die Devise in Deutschland lautet nun:_Der Anteil von Strom aus Wind, Sonne etc. am Bruttoendenergieverbrauch soll von rund elf Prozent im Jahr 2010 auf 60 Prozent im Jahr 2050 steigen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung soll bis 2020 mindestens 35 Prozent und 2050 gut 80 Prozent betragen.

Und weil all die Wärmedämmungs-Programme für Häuser, die Förderung für Solarparks und klimafreundliches Bauen laut Experten immer noch kein Garant für das Erreichen der Klimaziele sind, hat Hendricks nun die Kohle im Blick. Diese Woche erklärte sie, nach der Klimakonferenz müsse die deutsche Regierung den Ausstieg aus der Kohle angehen.

Mit einem nationalen Kohlekonsens könne Deutschland innerhalb von 20 bis 25 Jahren schrittweise aus der Kohleverstromung aussteigen. Allerdings muss sie davon auch noch viele Genossen in SPD überzeugen. (Birgit Baumann aus Berlin, 3.12.2015)