So manche Zielpunkt-Filiale wäre für Mitbewerber Billa und Spar interessant. Doch ihre bereits hohen Marktanteile im Lebensmittelhandel rufen die Kartellwächter der BWB auf den Plan. Ketten wie MPreis oder Norma, die in Ostösterreich kaum vertreten sind, hätten es leichter.

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Wien – Spar, Rewe und Hofer kommen auf einen gemeinsamen Marktanteil von 85 Prozent im österreichischen Lebensmittelhandel; 2007, als die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zuletzt den Markt umfassend analysierte, waren es noch 75 Prozent. Bei der Zahl der Filialen beträgt der Marktanteil 67 Prozent. Durch den Wegfall von Zielpunkt dürfte sich die Marktkonzentration weiter verstärken – vor allem, wenn Zielpunkt-Filialen von den drei Großen übernommen werden.

Allerdings bedeuten diese Zahlen nicht, dass Spar, Rewe oder Hofer aus kartellrechtlichen Gründen keine Zielpunkt-Filialen übernehmen können. Entscheidend ist immer, ob es zur Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen kommt. Grundlage dafür ist die Abgrenzung der sachlichen – also produktbezogenen – und räumlichen relevanten Märkte. Nur wenn Erwerber und "Target" sich sachlich und räumlich überschneiden und die Marktanteile mehr als 30 Prozent betragen, wäre der Erwerb von BWB kartellrechtlicher tiefer zu analysieren.

Sachlich muss man – auch in Anlehnung an deutsche Entscheidungen – von einem einheitlichen LEH-Markt ausgehen, der auch Diskonter einschließt, nicht aber Drogeriemärkte. Räumlich kommt es auf die Situation in lokalen Märkten an. Zielpunkt hat derzeit ca 228 Filialen, allerdings nur in Wien (126), Niederösterreich (52), Steiermark (27) und dem Burgenland (23). Vor allem in Wien, wo Verbraucher für ihren Lebensmitteleinkauf meisten keine weiten Wege auf sich nehmen, würden Rewe, Spar und Hofer durch den Erwerb von Filialen rasch zu hohen Marktanteilen kommen.

Aber selbst dann wäre eine Übernahme nicht ausgeschlossen. Der Erwerber könnte sich auf die sogenannte Sanierungsfusion berufen. Mit diesem Instrument kann auch bei hohen Marktanteilen eine "Genehmigung" erzielt werden, wenn sich das zu erwerbende Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet.

Hürden für Sanierungsfusion

Voraussetzung ist, dass das Unternehmen (i) ohnehin aus dem Markt ausscheiden würde, (ii) keine alternativer Erwerber für den bzw. die Standorte vorliegen und (iii) die Marktposition des erworbenen Unternehmens, bzw. der Filialen, ohnehin dem Erwerber zufallen würde. Für eine Sanierungsfusion müssen alle Voraussetzungen vorliegen. Die Hürden sind hoch, aber nicht unüberwindbar. Problematisch ist vor allem das dritte Kriterium: automatischer Zufall der Marktposition.

Aber selbst wenn die Sanierungsfusion nicht greift, bietet das Kartellrecht noch Optionen, so etwa Zusagen, dass bestimmte Märkte an einen "unabhängigen Dritten" abgegeben werden. Bei Zielpunkt kommen vor allem Unternehmen wie MPreis oder Norma infrage, die in Ostösterreich kaum tätig sind.

Schwierig wird indes, den Erhalt der Arbeitsplätze der rund 3000 Zielpunkt-Mitarbeiter als Argument für eine Übernahme durch Spar, Rewe oder Hofer ins Feld zu führen. Zwar ist der Schutz der Mitarbeiter von zentraler Bedeutung, nur kann dieser Gemeinwohlgrund nicht im Verfahren vor der BWB vorgebracht werden. Das österreichische Kartellrecht ist hier streng; es schützt (grundsätzlich) nur den ökonomischen Wettbewerb, also die Filialen.

Anders ist die Lage in Deutschland. Dort kann beim Bundeswirtschaftsminister nach Untersagung einer Transaktion eine Ministererlaubnis beantragt werden, wie es zuletzt bei der Übernahme von Kaiser's durch Edeka im April geschehen ist. Allein der Antrag schlug hohe rechtliche politische Wellen, die Monopolkommission äußerte sich in ihrem Gutachten ablehnend. Wie Sigmar Gabriel entscheiden wird, ist offen. Er kann neben dem Erhalt von Arbeitsplätzen auch Kriterien wie die Sicherung der Nahversorgung mit berücksichtigen – und es gibt Anzeichen, dass Gabriel die Fusion bewilligen wird.

Ohne den Anschein von Anlassgesetzgebung zu hinterlassen, wäre es auch in Österreich zu überlegen, ein solches Instrument einzuführen. (Lars Maritzen, 30.11.2015)