Nachhaltige Masche, an der sich jedermann beteiligen kann: die Macher von Göttin des Glücks Igor Sapic und Lisa Muhr.

Foto: Matthias Cremer

Wenn sich Lisa Muhr einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, dann ist sie nicht so leicht davon abzubringen. Auch nicht, wenn jemand ihre Visionen als naiv bezeichnet. "Es braucht immer ein paar ‚Blöde‘, die den Anfang machen", lautet das Credo der quirligen Wienerin. "Mode kann und muss ökologisch und fair produziert werden", ist sie überzeugt. Dass sich in vielen Bekleidungsketten alle drei bis vier Wochen die oft unter fragwürdigen Bedingungen produzierte Ware dreht, um kauflustigen Konsumentinnen und Konsumenten Neues zu bieten, bezeichnet sie als "Konsumwahnsinn sondergleichen".

Wie es in der Modebranche anders funktionieren kann, machen die Geschäftsführerin und das Team von Göttin des Glücks (GDG) seit vielen Jahren vor. Die Produkte des österreichischen Modelabels werden nach Fairtrade-Prinzipien wie gerechte Löhne, geregelte Arbeitszeiten, keine Kinderarbeit in den Fabriken, Umweltverträglichkeit hergestellt. Für die Kleidungsstücke wird ausschließlich Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau verarbeitet. Nur zweimal im Jahr gibt es eine neue Kollektion.

Zertifizierte Produktionskette

Auch in unternehmerischer Hinsicht wandeln die Glücksgöttinnen und -ritter abseits herkömmlicher Pfade. Begonnen hat alles 2005 als Spaßprojekt von vier selbstständigen Kreativen. "Für 200 Euro wurden einige Meter Stoff gekauft, Teile genäht und mit humorvollen Sprüchen und Grafiken bedruckt", wirft Mitgründer und Mitgeschäftsführer Igor Sapic einen Blick zurück. Die Sachen gingen weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Den Erlös verwendete das Kleeblatt für den Kauf neuer Stoffe usw.

2007 gründeten sie gemeinsam eine Firma (OG) und kooperierten mit EZA Fairer Handel, Österreichs größter Importgesellschaft für Produkte aus fairem Handel. "Damit konnten wir schlagartig auf eine lückenlose, kontrollierte und zertifizierte Produktionskette zugreifen", berichtet Muhr. Denn eines war und ist dem Team des irdischen Unternehmens wichtig: "Wir wollen keine Geschäfte auf Kosten anderer machen."

Bis 2012 entwickelte sich das Unternehmen ohne fremde Hilfe und ausschließlich über Reinvestitionen. Das Händlerinnennetz wurde ausgebaut, der Eigenvertrieb forciert, ein Webshop eröffnet. "Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem es aus eigener Kraft nicht mehr nahtlos weitergeht, an dem man zum Weiterwachsen fremde Gelder braucht: etwa für ein Kassensystem, für Warenwirtschaft, Organisation", sagt Sapic. Die Firma wurde in eine GesmbH übergeführt, zeitgleich stießen drei Investorinnen und Investoren ("zwei davon aus unserem Familienkreis") hinzu. Das Austria Wirtschaftsservice (AWS) ermöglichte Göttin des Glücks einen günstigen Kredit.

Schwarmfinanzierung

"Da ständig neue Ideen in unseren Köpfen herumschwirren und wir uns generell finanziell breit aufstellen wollten, waren wir auf der Suche nach weiteren Geldquellen", schlägt Muhr das nächste Finanzierungskapitel der kleinen Modefirma auf: Crowdfunding (Schwarmfinanzierung), bankenunabhängige Finanzierung von Projekten über Kleinkredite von Privatpersonen.

Bis vor kurzem in Österreich ein schwieriges Unterfangen, wie besonders der Waldviertler Schuhproduzent Heini Staudinger zu spüren bekam, der in dieser Frage in ein hartes Match mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) ausstehen musste. Die öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung mündete schließlich in das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG), das am 1. 10. 2015 in Kraft getreten ist.

Seither dürfen Firmen ganz legal und ohne Umwege nach privaten Geldgebern ausschwärmen. Die Prospektpflicht wurde im Gesetz unter anderem von 250.00 Euro auf fünf Millionen Euro erhöht. Um das Risiko für die Anleger zu minimieren, liegt die Einzelanlagenbeschränkung jetzt pro Person bei 5000 Euro pro Projekt und Jahr.

Als Göttin des Glücks im November 2014 mit ihrem ersten Beteiligungsmodell startete, lag alles zwar noch ein wenig im legistischen Graubereich. Die privaten Investorinnen und Investoren mussten in Kauf nehmen, dass ihre Direktdarlehensverträge mit einer Nachrangklausel versehen waren. Dies bedeutete unter anderem, dass sie im Fall einer Insolvenz allen anderen Gläubigern gegenüber benachteiligt waren.

"Das Echo unserer nachhaltig denkenden und agierenden Kundinnen und Kunden war dennoch fantastisch", resümiert Muhr. "Viele betonten, einfach kein Vertrauen mehr in Banken zu haben, die mit ihrem Geld im globalen Finanzkasino spekulierten."

Selbsthilfe für kleine Unternehmen

Ungefähr die Hälfte des angestrebten Kapitals von 500.000 Euro konnte das Label bisher aufstellen. "Der Durchschnittskredit lag bei 3400 Euro, es gab aber auch einige Anlagen mit 20.000 und 15.000 Euro (damals noch möglich, Anm. der Redaktion)", bemerkt die GDG-Geschäftsführerin. Für die Investition gibt es eine jährliche Verzinsung von vier Prozent in Form von Warengutscheinen oder 2,5 Prozent in bar ausgezahlt. Nachdem die Verträge an das AltFG angepasst wurden, läuft die Kampagne seit Anfang Dezember weiter.

Zwei der sechs angestrebten Crowdfundingprojekte konnte das kleine Unternehmen (22 Mitarbeiter, Umsatz 2014: 1,4 Millionen Euro) bereits umsetzen: eine regional gefertigte Leinenkollektion, bei der die Teile von langzeitarbeitslosen Frauen in der Volkshilfe-Werkstatt SÖB Merit in Wien auf Bestellung genäht werden, sowie die Optimierung der internen Strukturen.

"Crowdfunding ist Selbsthilfe für kleine Unternehmen", unterstreicht Muhr die Bedeutung dieses alternativen Finanzierungsmodells. "Durch das neue Gesetz wird sich die Kurve dieser Investitionsform deutlich nach oben entwickeln. Wichtig ist allerdings auf jeden Fall, klar zu sagen: Es handelt sich um Risikokapital, es kann zu 100 Prozent verloren gehen."

Dass eine wachsende Zahl von Konsumentinnen und Konsumenten bereit ist, ein finanzielles Wagnis einzugehen, um Firmen wie Göttin des Glücks zu unterstützen, ist für die Modemacher jedenfalls ein klarer Beweis, dass Nachhaltigkeit kein Trend, sondern eine gesellschaftliche Entwicklung ist. Damit künftig möglichst viele Menschen gemäß dem GDG-Firmenmotto von sich sagen können: Danke, es geht mir gut. (Karin Tzschentke, aus dem Portfolio, 2.12.2015)