Wie wirklich ist die Wirtschaftswirklichkeit? Was echt, was gefälscht? Wohin führt die Ökonomie, und kann diese die Welt gerechter machen? Wie steht es um die Finanzwelt in diesem System, und braucht es noch Banken? Fragen, die in Fachbüchern derzeit behandelt werden. Eine Auswahl

Warum es ohne Banken doch nicht geht

Geschmalzene Spesen, verdeckte Gebühren, horrende Überziehungszinsen und Herunterspielen von Risiken – die Trickkiste der Banken ist groß. Um an das Geld ihrer Kunden zu gelangen, sind die Geldhäuser kreativ. Fehlinvestments, Skandale, Millionengagen und die Finanzkrise ließen das Vertrauen aber schwinden. Den Rest erledigt die Digitalisierung: Es formieren sich regionale Währungen, private Kreditvermittler und -geber (Stichwort Crowdfunding, Crowdinvesting, Crowdlending).

Nicht alle Bankalternativen – die im Buch besprochene Palette reicht von Auxmoney bis Zencap – sind seriös oder billiger, und die wenigsten verzichten auf Bonitätsprüfungen ihrer Kreditkunden. Aber ohne Prüfung von Anlage- oder Kreditkonditionen sollte man sein Geld auch zu Geschäftsbanken nicht tragen, rät der an der Fachhochschule Dortmund lehrende Autor. Die von Fintechs durchgeführten Transaktionen gehen inzwischen in die Milliarden, es gibt also Alternativen, und Banken müssen zusehen, wie ihnen das Wasser abgegraben wird – auch dank gesetzlicher Vorgaben. Ohne Banken geht es aber nicht, denn Basis aller Finanzgeschäfte ist das Girokonto. Und diese Domäne ist dank staatlicher Regulierung den Banken vorbehalten. Noch. (ung)

Ralf Beck "Wer braucht noch Banken?" Wie Start-ups die Finanzwelt verändern und was uns das nutzt Börsenbuch-Verlag, 25,70 Euro

Cover: Börsenbuch Verlag

Wie neues Wirtschaften aussehen könnte

Eine gerechtere Welt mithilfe der Ökonomie, geht das? Ja, das geht, findet ausgerechnet ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Weil Gernot Benesch darüber hinaus auch Wirtschaftswissenschafter ist, gibt er sich beim Sinnieren über das Wie nicht mit kleinen Verbesserungsvorschlägen zufrieden. Nichts weniger als einen Komplettumbau des Wirtschaftssystems hält er für angebracht, um eine sozial verträgliche, ökologisch nachhaltige Ökonomie zu schaffen. Eine, "die allen Wohlstand bringt und nicht nur einigen Profiteuren". Und dann geht es schon ans Eingemachte.

Zusammengefasst: radikale Vereinfachung, radikale Schritte, weg mit dem Zinseszins, her mit einer einzigen Steuer, die in einer Höhe von 3, 5 Prozent alle Geldflüsse erfasst, eine Parkgebühr für größere Vermögenssummen, genossenschaftlich organisierte Banken zur Kreditvergabe, anstelle des komplexen Systems von Pensionen und Mindestsicherung ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden Einzelnen, Abschaffung des Bargeldes. Utopisch? Durchaus, wie der Autor zugibt, dem man aber keineswegs Blauäugigkeit unterstellen sollte. Charme hat, dass Benesch seine eigenen und die Ideen anderer mit Rechenbeispielen und Erkenntnissen aus seiner Praxis argumentieren kann. (rebu)

Gernot Benesch, "Geld oder Leben im 21. Jahrhundert. Wie eine Ökonomie 4.0 die Welt gerechter macht" Galila, 19,90 Euro

Cover: Galila Verlag

Der Drang, ständig mehr haben zu wollen

Wir können eigentlich nichts dafür, dass wir gierig sind. Mehr haben zu wollen ist uns angeboren und war in "Urzeiten" wichtig fürs Überleben. Heute geht es beim Anhäufen und Horten aber längst nicht mehr um Existenzsicherung, und dabei sind wir (in der westlichen Welt) alle so gierig wie noch nie, ist das Autorentrio Edelbacher, Bruns und Weixelbaumer überzeugt. Was die Gründe dafür sind, versuchen der Expolizist, die Psychologin und der Wirtschafter anhand von Beispielen zu erklären, die ihren jeweiligen Berufsfeldern entstammen.

Da ist das Kind, das seine (genetisch bedingte) Gier nach noch mehr Schokolade oder Spielzeug nicht ablegen kann, weil es nicht das bekommt, was es eigentlich haben will und braucht: die emotionale Zuwendung der Eltern. Da sind die modernen Finanzplätze, an denen mittels Computer beliebige Summen an virtuellem Vermögen erzeugt werden. Da ist die Gier tausender Kleinanleger, die dem "Bullen von Wien" (Michael Lielacher) nachlaufen und blindlings Aktien eines vermögenslosen Fußballvereins kaufen.

Die Autoren geben in dem Buch eine knappe Übersicht über das Phänomen Gier. Wirklich neue Erkenntnisse bieten sie nicht. Anregend zum Nachdenken ist das Buch aber allemal. (kat)

Max Edelbacher, Valentina Bruns, Elmar Weixlbaumer "Die neue Gier. Warum wir immer maßloser werden" Goldegg, 19,95 Euro

Cover: Goldegg Verlag

Die Meisterfälschung, ein Kunstwerk

Nach der Lektüre dieses ausgezeichneten Buchs wird man skeptischer gegenüber der Kunst sein. Die Fälschung ist überall, sie ist facettenreich, klug und häufig qualitativ hochstehend. Der Meisterfälscher ist oft ein hochbegabter Künstler, der aus den verschiedensten Gründen nicht mehr "eigene", sondern gefälschte Kunst macht: Geldnot, Hochstaplertum, mangelnde Durchsetzung in der Kunstszene, Egomanie ...

Der Fälscher benötigt meist Helfershelfer, die das Werk nicht genau unter die Lupe nehmen, schließlich ist viel Geld zu machen. Wichtig ist die sogenannte Provenienz: Die Herkunft des plötzlich am Markt auftauchenden Gemäldes muss schlüssig sein. Eine Geschichte rund um das Kunstwerk wird erfunden; der berühmte Dachboden kann ins Spiel kommen.

Noah Charney, ein Experte für Kunstkriminalität, hat viele Fälle zusammengetragen, die den Leser amüsieren. Auch ist zu beobachten, dass dem Gauner, wenn er auffliegt, oft hohe Sympathien entgegengebracht werden. Häufig sind es charmante Menschen, die ihren Prozess als Bühne sehen. Manchmal wird die Fälschung jahrelang nicht entdeckt. Und wer weiß, wie viele Fälschungen da draußen sind. Nach der Lektüre weiß man, dass das leicht der Fall sein kann. (ruz)

Noah Charney "Original Meisterfälscher Ego, Geld & Größenwahn" Brandstätter, 29,90 Euro

Cover: Brandstätter Verlag

Es gibt nichts, das nicht gefälscht wurde

Erschwindelte Doktortitel, gefälschte Kunstwerke, Ideenklau aller Art. Der Journalist und Buchautor Peter Köhler geht ein breites Thema vielfältig an. In kurzen Geschichten erzählt er quer durch die Geschichte, wie aus wahr falsch wurde und aus echt unecht.

Da gibt den erst kurz zurückliegenden Fall des Karl-Theodor zu Guttenberg, der 371 seiner 393 Seiten umfassenden Doktorarbeit mit fremden Texten verfasste. Da wird der spektakuläre Fall der gefälschten Hitler-Tagebücher nacherzählt, bei der der deutsche Maler, Kunstfälscher und Aktionskünstler Konrad Kujau das Magazin Stern blamabel aufs Glatteis führte.

Köhlers Buch geht nicht besonders in die Tiefe, reißt die einzelnen Fälle nur an. Dennoch ist es ganz witzig – vor allem, wenn er die modernen Grenzüberschreitungen beschreibt. "Kopieren statt studieren" ist auch in der Wissenschaft und im Journalismus gang und gäbe und im digitalen Zeitalter nur die Arbeit von ein paar Mausklicks. Und bei den Unmengen von Texten, die täglich online gehen, verliert man da schon mal den Überblick. Dass die Medien – auch die Fachmagazine – solchen als wissenschaftlicher Durchbruch angepriesenen Fakes aufsitzen, ist da nur verständlich und führt zu Schadenfreude beim Leser. (ruz)

Peter Köhler "Fake. Die kuriosesten Fälschungen aus Kunst, Wissenschaft, Literatur und Geschichte" C. H. Beck, 13,40 Euro

Cover: C. H. Beck Verlag

Das Doppelleben einer Stadt und seiner Bürger

New York – die Stadt, die niemals schläft und daher immer auch im Wandel ist. Das Stadtentwicklungsprogramm vom damaligen Bürgermeister Rudy Giuliani bringt der Stadt die Dollars der Touristen und eine beschleunigte Verbürgerlichung. Das moderne Leben wird neu definiert mit polyglotten Zusammenkünften. Aber was spielt sich in so einer Stadt abseits der legalen Geschäfte ab? Welche ökonomischen Verbindungen gibt es zwischen Ober- und Unterwelt?

Um diese Fragen zu beantworten, macht sich der Soziologe Sudhir Venkatesh auf in die Unterwelt und taucht tief ein in ein Netzwerk aus Dealern, Prostituierten und illegal Gestrandeten. Er nimmt den Leser mit auf eine Erkundungsreise durch Pornoläden in Harlem und andere Lokale, in deren Hinterzimmern sich Illegales abspielt. Venkatesh bleibt dabei sehr nahe an den Menschen dran, die ihm helfen, in diese Welt einzutauchen. Eine Welt, in der die Akteure ein eigenes Netzwerk bilden und die zeigt, wie die Bedürfnisse der Oberwelt einhergehen mit den Machenschaften in der Unterwelt. Venkatesh zeichnet damit ein Bild von einer Stadt, in dem es nicht länger überrascht, dass ein Drogendealer Vernissagen besucht oder sich die Tochter eines reichen Bankers nebenher als Zuhälterin betätigt. (bpf)

Sudhir Venkatesh "Floating City – Gangster, Dealer, Callgirls und andere unglaubliche Unternehmer in New Yorks Untergrundökonomie" Murmann, 22,00 Euro

Cover: Murmann Verlag