Wien – "Der Anlass ist scheiße." Mit diesen Worten hat Zielpunkt-Betriebsratschefin Snjezana Brajinovic am Montag die erste von mehreren Betriebsversammlungen eingeleitet. "Wir waren alle komplett geschockt. Das ist eine Sauerei jetzt vor Weihnachten", sagte Brajinovic sichtlich bemüht, Tränen zu verbergen. Am Montag meldete die Lebensmittelkette offiziell Konkurs an, 2.708 Mitarbeiter verlieren ihren Job.

Ein Teil davon wurde am Vormittag bei der ersten Betriebsversammlung in Wien über die weiteren Schritte informiert. Weitere Veranstaltungen, auch in den Bundesländern, folgten am Nachmittag sowie in den nächsten Tagen. Zunächst geht es darum, die Beschäftigten darüber zu informieren, wie sie zu ihrem Geld kommen. Zielpunkt hat die Novembergehälter und das Weihnachtsgeld nicht mehr ausgezahlt, das übernimmt nun der Insolvenzentgeltfonds (IEF).

Formulare rechtzeitig ausfüllen

Es sei wichtig, so rasch wie möglich alle erforderlichen Formulare auszufüllen, sagte die Arbeiterkammer-Insolvenzexpertin Karin Ristic. Der Betriebsrat werde die Formulare gesammelt einreichen. Es werde "eher Wochen als Monate" dauern, dass die Beschäftigten zu ihrem Geld kommen. Genau könne sie es jedoch nicht sagen. Die Banken hätten zugesagt, dass alle Zielpunkt-Beschäftigten ihr Konto überziehen können, ohne Spesen zahlen zu müssen.

Auch wenn die Situation schrecklich sei, dürfe niemand eigenmächtig zu Hause bleiben, informierte die Gewerkschaft GPA-djp. "Keiner hört jetzt auf. Ihr dürft nicht einfach zu Hause bleiben", betonte Betriebsrätin Brajinovic. Sollte die Filiale, in der man arbeitet, demnächst geschlossen werde, habe der Arbeitgeber das Recht, den Mitarbeiter in einer anderen Filiale einzusetzen. Welche Filialen wann schließen, dürfte der Masseverwalter in den nächsten Tagen bekanntgeben.

Gerüchte

Derzeit würden viele Gerüchte kursieren, die die Beschäftigten verunsichern. "Hört nicht auf das. Der Herr Pfeiffer (Chef des Zielpunkt-Eigentümers Pfeiffer-Gruppe, Anm.) hat schon viel gesagt. Fragt uns", sagte Mario Ferrari von der GPA. So wolle Pfeiffer sich dafür einsetzen, dass den Mitarbeitern eine Prämie ausbezahlt wird, wenn sie bis zum Schluss arbeiten. "Das ist Blödsinn. Der Pfeiffer hat jetzt nichts mehr zu sagen. Das Sagen hat der Masseverwalter", so Ferrari.

Für Aufregung sorgte auch die Aufzeichnungspraxis bei Zielpunkt. Laut der Betriebsrätin kam es immer wieder zu Übertretungen der Ruhezeiten. Beschäftigte erzählten, dass nicht sie selbst die Stundenliste führten, sondern die jeweilige Filialleitung. Betriebsrat und Gewerkschaft forderten die Beschäftigten auf, ihre Stundenaufzeichnungen unbedingt selbst zu führen. "Jetzt habt Ihr nichts mehr zu verlieren. Der Firma braucht ihr nichts mehr zu schenken", polterte Brajinovic.

Für Gelächter unter den rund 350 Beschäftigten sorgte die Ankündigung der Betriebsrätin, dass ausgerechnet an diesem Montag alle Mitarbeiter von Pfeiffer ein Weihnachtsgeschenk bekämen. Dieses enthalte auch einen Zehn-Euro-Einkaufsgutschein. "Wir würden die Gutscheine gerne an den Eigentümer schicken mit einem netten Brief", sagte Brajinovic.

Pfeiffer-Brief sorgt für Unmut

Ein anderer, bereits versendeter Brief sorgt indes für weiteren Unmut. Denn nur drei Wochen vor der Insolvenz-Ankündigung von Zielpunkt setzte Eigentümer Pfeiffer noch alle Hoffnungen in die Lebensmittelkette. "Wir werden mit voller Kraft die Entwicklung von Zielpunkt fortsetzen", heißt es in einem der APA vorliegenden Schreiben, das Chef Georg Pfeiffer am 4. November an alle Mitarbeiter schickte.

Anlass des Schreibens war der kurz davor abgewickelte Verkauf des Großhandelsbetriebs C+C Pfeiffer an Transgourmet, eine Tochter des Schweizer Handelskonzerns Coop. "Neben der strategischen Perspektive dieser Partnerschaft war die Sicherheit Ihrer Arbeitsplätze die wichtigste Grundlage für diese Entscheidungen. Ich bin überzeugt, dass wir mit den neuen Strukturen bestmögliche Voraussetzungen für eine langfristig erfolgreiche Weiterentwicklung in allen Geschäftseinheiten geschaffen haben", heißt es in dem Brief weiters.

Noch am 18. November sagte Zielpunkt-Geschäftsführer Erich Schönleitner dem "WirtschaftsBlatt", dass Pfeiffer an Zielpunkt glaube und es bis 2017 aus den roten Zahlen schaffen wolle. Die Kette sollte mithilfe des Onlinegeschäfts, mehr Convenience-Produkten und Franchise-Partnern flottgemacht werden. In den nächsten drei Jahren hätten 20 bis 30 Standorte an Franchise-Partner gehen sollen. Doch nur eine Woche später kündigte das Unternehmen an, Insolvenz anmelden zu müssen.

Gespräche liefen schon lange

Brösel gab es aber schon länger, erzählte heute GPA-Chef Wolfgang Katzian vor Journalisten in Wien. Seit Juni habe der Betriebsrat intensive Gespräche mit dem Management geführt. Dabei sei der Wunsch klar gewesen, die Zentrale von Wien nach Linz zu verlagern, um Synergien zu erzielen und sich von einigen unrentablen Standorten im Osten zu trennen. In diesem Zusammenhang habe es Gespräche über einen Sozialplan gegeben, aber Pfeiffer wollte keinen Sozialplan, so Katzian.

Es sei auch zu einer fristlosen Entlassung eines Betriebsrates bekommen, "die wir bekämpft haben und wo wir vorige Woche recht bekommen haben". Für vergangenen Mittwoch sei die vorläufig letzte Runde zur Verhandlung des Sozialplans ausgemacht gewesen. Die sei aber eine Stunde vor Stattfinden vom Management abgesagt worden und der Betriebsrat wurde informiert, dass das Unternehmen in die Insolvenz geschickt wird.

"Das war überraschend, weil alle zugänglichen Informationen eine völlig andere Sprache gesprochen haben", sagte Katzian. "Wenn die das am 4.11 als Linie vorgeben und dann 14 Tage später die Insolvenz kommt, dann wird es erlaubt sein, dass es einem komisch vorkommt", verwies der Gewerkschafter auf den Brief von Georg Pfeiffer. (APA/red, 30.11.2015)