In dem 192 Seiten starken Band geben namhafte Persönlichkeiten der Branche Antworten – und diese sind zumindest nicht ausschließlich pessimistischer Natur.

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Wien – Die im Moment viel diskutierte Sorge um die Qualität im Journalismus steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem ebenso eifrig besprochenen Bedeutungsverlust der gesamten Zunft. Inhalte nachrichtlicher Natur strömen aus allen Kanälen, ob sie glaubhaft sind, entscheidet der/die UserIn, bestenfalls stützt er/sie sich auf Mehrheitsverhältnisse: Als glaubwürdig wird interpretiert, wer oder was die meisten "Likes" hat. Gar manchem scheint angesichts dessen Endzeitstimmung zu befallen.

Journalisten als Lieferanten verlässlicher Information wirken innerhalb solcher Deutungsmacht wie Relikte aus einer anderen Zeit. Das Bild vom Gatekeeper, der die Schleuse wartet und Nachrichten nach seinem Berufsverständnis durchfließen lässt, die wiederum auf eine homogen geordnete Öffentlichkeit treffen, ist in diesem Denkkonzept nicht weniger antiquiert. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung stellt das Buch "Die neue Macht der Öffentlichkeit. Der Kampf um die Meinungsmacht in Österreich", herausgegeben von Rudi Klausnitzer, Marcin Kotlowski und Markus Pöllhuber, erschienen im Cadmos Verlag.

Tenor: Noch ist nicht alles verloren

In dem 192 Seiten starken Band geben namhafte Persönlichkeiten der Branche Antworten – und diese sind zumindest nicht ausschließlich pessimistischer Natur. "Die Öffentlichkeit ist im Wandel mit gravierenden Folgen für den Journalismus", diagnostiziert Rainer Esser, Geschäftsführer der "Zeit". Medien müssten damit umgehen lernen, denn die zusätzlichen Kanäle seien "eine große Chance für uns." Journalismus habe "an Ausdrucksmöglichkeiten und Darstellungsformen gewonnen", argumentiert Esser.

Den "Eros der klassischen Medien", beschwört News-Chef Horst Pirker, wenngleich er ihr "morbide Blässe" einräumt. "Jetzt werden die Mauern geschleift, die Tore verlieren ihre Funktion", beschreibt fjum-Geschäftsführerin Daniela Kraus den derzeitigen Zustand an der Nachrichtenschleuse. Die neuen Gatekeeper seien "Apple, Google, Facebook Twitter, LinkedIn, Instagram, Pinterest, Tumblr, Flickr etc.", schreibt Pirker.

Mögliche Synergien mit klassischen medien

Die Meinungsmacht der Medienkonzerne im Sinken sieht STANDARD-Vorstand Alexander Mitteräcker. Er wartet langfristig, "dass gewisse globale Player, die nicht journalistischen Ursprungs sind, einen Großteil des Marktes dominieren werden." Der hohe Stellenwert von Onlinemedien werde auch in Zukunft erhalten bleiben. "Besonders interessant", findet Mitteräcker, "wie mögliche Synergien mit klassischen Medien aussehen könnten."

Rahmenbedingungen dazu stellt Medienminister Josef Ostermayer in Aussicht: "Ich werde die Anstrengungen verstärken, noch in dieser Legislaturperiode einen Entwurf- für ein Medien-Gesetzespaket vorzulegen."

"Die Qualität des Journalisten hat viel mit deren eigenem Hintergrund zu tun", schreibt RTR-Chef Alfred Grinschgl. Ein Qualitätsurteil ließe sich nur über "einzelne Vertreter des Berufsstands abgeben, aber nicht über den Journalismus selbst."

Mächtige Menschen, große Bedrohung

Die Frage "Was bedeutet das für die Demokratie?", stellt "Profil"-Chefredakteur Christian Rainer, und beantwortet sie selbst: "In Wahrheit gibt es sehr, sehr mächtige Menschen und ihre Maschinen, die in meinen Augen eine relativ große Bedrohung für die Demokratie, damit für die Gesellschaft sein könnten."

Ein Schlupfloch, wie Medien dieser Bedrohung entgehen könnten, schlägt Co-Herausgeber Marcin Kotlowski, und Geschäftsführer der WH Medien, vor: "Der Veränderung können wir mit Instrumenten begegnen, die sich seit Jahrzehnten menschlicher Organisation nicht verändert haben: ein Ziel definieren und Menschen dafür begeistern, an einem Strang ziehen, Motivation und Offenheit zulassen, Früchte ernten und zum Wohl aller einsetzen." (red, 10.12.2015)