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Verfassungsschützer dürfen auch auf IP-Adressen zugreifen.

Foto: DPA/Gerten

Frage: Warum braucht die Polizei ein eigenes Staatsschutzgesetz? Reicht das Sicherheitspolizeigesetz nicht mehr aus?

Antwort: Die Schaffung eines polizeilichen Staatsschutzgesetzes (PStSG) wurde 2013 im Arbeitsprogramm der Bundesregierung festgelegt. Im Gegensatz zum Bundeskriminalamt (BK) und dem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) hat das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) noch keine eigene gesetzliche Grundlage. Das Sicherheitspolizeigesetz regelt die Aufgabe aller 28.000 Polizistinnen und Polizisten des Landes. Das neue Staatsschutzgesetz ist speziell auf die derzeit rund 500 Verfassungsschützer zugeschnitten und gibt ihnen mehr Befugnisse.

Frage: Welche speziellen Aufgaben sind das?

Antwort: Im Wesentlichen geht es um Verfolgung oder Verhinderung von "terroristisch, ideologisch oder religiös motivierter Kriminalität", Spionage, Proliferation (Verbreitung von Massenvernichtungswaffen) sowie um die Verstärkung der "internationalen Zusammenarbeit".

Frage: Wurden im Vergleich zum ersten Entwurf des Gesetzes Passagen gestrichen?

Antwort: Ja, zum Beispiel alle sogenannten Beleidigungsdelikte gegen den Staat. Bei Verdacht auf Herabwürdigung der Republik ermitteln künftig keine Staatsschützer mehr, sondern "normale" Polizisten.

Frage: Müssen (militante) Tierschützer damit rechnen, auch künftig vom Staatsschutz verfolgt zu werden?

Antwort: Nein, das sollte nicht mehr der Fall sein, weil die Anliegen des Tierschutzes nicht als staatsfeindliche Ideologie eingestuft werden.

Frage: Mit welchen Befugnissen wird der Staatsschutz ausgerüstet?

Antwort: Am wichtigsten sind die Vorfeldermittlungen der "erweiterten Gefahrenerforschung". Das BVT darf künftig sowohl Einzelpersonen als auch Gruppierungen ins Visier nehmen, "wenn im Hinblick auf deren bestehende Strukturen damit zu rechnen ist, dass es zu mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundener Kriminalität, insbesondere zu weltanschaulich oder religiös motivierter Gewalt kommt".

Frage: Ist der Einsatz von Vertrauenspersonen neu in Österreich?

Antwort: Nein, auch bei der Kriminalpolizei gibt es V-Leute, die für ihre Spitzeltätigkeit bezahlt werden. Über die Höhe der Entlohnung herrscht Stillschweigen. Das Bundeskriminalamt führt einen eigenen V-Leute-Katalog, der aber verhältnismäßig dünn ist, weil Kriminalisten in der Regel ihre Informanten nicht einem (wenn auch eingeschränkten) Personenkreis preisgeben wollen.

Frage: Werden auch Internetforen, Facebook und Poster von Tageszeitungen überwacht?

Antwort: Ja, die Staatsschützer werden auch im Netz ermitteln. Etwa wenn der Bundespräsident bedroht wird oder Terroranschläge ankündigt werden. IP-Adressen müssen Internetanbieter den Behörden übermitteln.

Frage: Kommt das Staatsschutzgesetz auch gegen Demonstranten zur Anwendung?

Antwort: Ja, wenn die Behörden mit politisch motivierter Gewalt rechnen. Etwa wenn ein "schwarzer Block" in Erscheinung tritt. Wenn eine österreichische Fahne auf einer Demonstration verbrannt wird, ist dies kein Fall für den Staatsschutz.

Frage: Kommt das Staatsschutzgesetz auch gegen fremde Geheimdienste, etwa die NSA, zum Einsatz?

Antwort: Nur wenn sich deren Aktivitäten gegen Österreich richten. Spionage gegen die Uno oder andere internationale Organisationen sind kein Fall für den Staatsschutz. Bei Wirtschaftsspionage "zugunsten des Auslandes" hingegen wird der Staatsschutz auf den Plan gerufen.

Frage: Tauscht der Staatsschutz Informationen mit anderen Behörden aus?

Antwort: Ja, seine Erkenntnisse werden in- und ausländischen Sicherheitsbehörden zur Verfügung gestellt. Der Staatsschutz selbst ist aber kein Geheimdienst.

Frage: Wer hat die Kontrolle?

Antwort: Nach langem Hin und Her hat man sich auf einen Rechtsschutz-Dreiersenat im Ministerium geeinigt. Zumindest eine oder einer davon muss langjährig bei Gericht oder Staatsanwaltschaft tätig gewesen sein. Der Senat kann aber noch nicht zum geplanten Inkrafttreten des Staatsschutzgesetzes im Jänner tätig werden, weil der amtierende Rechtsschutzbeauftragte Manfred Burgstaller einen Vertrag bis 2019 hat.

Frage: Stimmt es, dass die derzeit neun Landesämter für Verfassungsschutz aufgelöst werden?

Antwort: Nein. Die Klubobmänner Andreas Schieder (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP), die das Aus der Landesämter angekündigt haben, dürften die Verhandlungsergebnisse missverständlich kommuniziert haben. Alle Bundesländer behalten ihre Außenstellen für den Verfassungsschutz. Diese werden aber nicht mehr wie bisher den Landespolizeidirektionen unterstellt sein, sondern direkt dem Mutterschiff BVT mit Kommandozentrale in der Wiener Rennweg-Kaserne. (simo, sum, 30.11.2015)