Wien – Die Richtervereinigung ist mit dem aktuellen Entwurf zum Staatsschutzgesetz unzufrieden. Präsident Werner Zinkl kritisiert vor allem die fehlende Einbindung der Gerichtsbarkeit. "Ich verstehe nicht, was dagegen spricht, das Ganze einer wirklichen gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen", sagte er am Dienstag. Zinkl sieht in dem Gesetzesentwurf eine "Mogelpackung".

Die Regierung hatte sich beim Rechtsschutz auf einen Dreiersenat geeinigt: Mindestens ein Mitglied muss langjähriger Richter oder Staatsanwalt sein. Dieser Rechtsschutzbeauftragte ist dem entsprechenden Unterausschuss im Nationalrat berichtspflichtig und kann sich auch von sich aus ans Parlament wenden, womit SPÖ und ÖVP auch eine verstärkte parlamentarische Kontrolle sehen.

Einbeziehung der Gerichte

Für die Richtervereinigung ist das zu wenig. Der Rechtsschutzbeauftragte habe zwar eine richterliche Ausbildung, sei aber nicht als Richter tätig, kritisiert Zinkl. "Dort wo Richter drauf steht, sollte auch Gericht drin sein", meint er. Immerhin gehe es beim Staatsschutz um erhebliche Grundrechtseingriffe. Und: Die Betroffenen wären nicht einmal einer Straftat verdächtig.

Aus diesem Grund sieht Zinkl in dem neuen Gesetz "ein bisschen einen Schwindel", dem die Richter wie in der Stellungnahme zum ersten Entwurf nicht zustimmen könnten. Er erinnerte zudem daran, dass gerade in Frankreich Mittel wie Vorratsdatenspeicherung und Ähnliches zur Verfügung stehen würden. Die jüngsten Terroranschläge habe man dadurch auch nicht verhindern können.

Kritik auch von Rechtsanwälten

Auch die Rechtsanwälte kritisieren mangelhaften Rechtsschutz beim aktuellen Entwurf zum Staatsschutzgesetz. Das Einsetzen eines Rechtsschutzbeauftragten sei "Augenauswischerei", sagte Bernhard Fink, Vorsitzender des Arbeitskreises Grund- und Freiheitsrechte des Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK). Er stellte auch eine mögliche Verfassungsbeschwerde in den Raum.

Zwar muss der vorgesehene Rechtsschutzbeauftragte laut Entwurf zehn Jahre lang als Richter oder Staatsanwalt gearbeitet haben, als Richter agieren würde er allerdings nicht, gibt Fink – wie auch zuvor die Richtervereinigung – zu bedenken. "Das ist keine richterliche Kontrolle und das ist keine Rechtsstaatlichkeit", kritisiert er. Betroffene könnten sich zwar an den Rechtsschutzbeauftragten wenden, aber: "Wie erfährt man überhaupt, dass man betroffen ist?" Rechtsschutz sieht der ÖRAK, der weiter "vehement" gegen das geplante Gesetz ist, keinen gegeben.

Redaktionen gefährdet

Auch weitere Schwachstellen ortet Fink im Entwurf. So sei nicht klar ersichtlich, was etwa "Gruppierungen", die beobachtet werden könnten, sein sollen. Der Anwalt sieht dabei sogar seine eigene Branche, aber etwa auch Medien-Redaktionen gefährdet. Grund- und Freiheitsrechte würden so "Stück für Stück ausgehöhlt", befürchtet der Jurist. Künftige Skandale seien so programmiert. Bereits in den 1990er-Jahren sei der Staatsschutz, damals noch Staatspolizei, dafür heftig kritisiert worden. "Das ist jetzt die Potenzierung des ganzen", fürchtet Fink.

Die Rechtsanwaltskammer behält sich nun höchstgerichtliche Schritte bei einer möglichen Umsetzung des Gesetzes vor. Fink: "Wir werden uns auch weiterhin dagegen wehren und überlegen, den Verfassungsgerichtshof anzurufen."

SPÖ-Klubobmann für Änderungen offen

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hat sich am Dienstag vor dem Ministerrat offen für Änderungen am geplanten Staatsschutzgesetz gezeigt. Die parlamentarische Diskussion stehe nun bevor, sagte er. "Die bessere Idee ist der Feind der guten Idee." SPÖ und ÖVP hätten letztlich einen brauchbaren Entwurf auf den Tisch gelegt, sagte Schieder.

Die Oppositionsparteien reagierten bisher gesprächsbereit, wollen aber noch Änderungen diskutieren. Die Regierung ist nicht auf die Stimmen der Oppositionsparteien angewiesen, wünscht sich aber eine breite Zustimmung. (APA, 1.12.2015)