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Daxbacher: "In Österreich gibt es keinen großen Stamm an Fans."

Foto: APA/Hochmuth

Wien / St. Pölten – Der SKN St. Pölten überwintert auf dem zweiten Platz der Ersten Liga, punktegleich mit Wacker Innsbruck und vor dem LASK. Gedanken an Meistertitel und Aufstieg lassen sich kaum noch verhindern. Trainer Karl Daxbacher im Gespräch über den Erfolgslauf und eine Liga, deren vorhergesagter Boom ausblieb.

STANDARD: Sportlicher Höhenflug, schickes Stadion, bescheidener Zuschauerschnitt. Warum springt der Funke in St. Pölten nicht über?

Daxbacher: Es ist enttäuschend und für mich kaum erklärbar, in puncto Fanzuwachs tut sich nichts. Gut, wir haben zu Saisonbeginn in den Heimspielen nicht überzeugt. In den letzten Spielen hätte ich nach den Siegen aber doch mehr Zuseher erwartet. Vielleicht war es da schon zu kalt und unwirtlich.

STANDARD: Bei anderen Vereinen, in anderen Ländern lassen sich die Fans nicht von herbstlicher Kälte abschrecken.

Daxbacher: In Österreich gibt es keinen großen Stamm an Fans. Es fehlt an Anhängern, die sich auch von Niederlagen nicht abschrecken lassen, die der Witterung trotzen. Rapid ist die Ausnahme. Hoffentlich können wir im Frühjahr mehr Zuseher anziehen. Eine Verdoppelung der Zahlen muss unser Ziel sein.

STANDARD: Zu Saisonbeginn sprach man von der attraktivsten Liga aller Zeiten, bekannte Vereinsnamen sollten einen Boom bringen. Wie groß ist die Ernüchterung?

Daxbacher: Man hat mit einem größeren Interesse gerechnet. Aber selbst ein Verein wie der Lask tut sich schwer. Im Vorjahr haben wir uns dort als Aufsteiger rund 5.000 Fans pro Spiel erhofft. Geworden ist es die Hälfte. Oder nehmen wir Klagenfurt her, dort kommen knapp über 1.000 Zuseher, das ist ja unglaublich.

Zu den Spielen des SKN St. Pölten kommen durchschnittlich 2.162 Zuseher. Im Vorjahr – als es sportlich übel aussah – waren es 1.899. Das bedeutet einen Zuwachs von 13,8 Prozent.

STANDARD: Mittlerweile ist es auch ein wirtschaftlicher Überlebenskampf, Wiener Neustadt schnauft, in Salzburg ist der Ofen aus.

Daxbacher: Man zweifelt die Berechtigung der Liga an, man sagt, sie sei nicht lebensfähig. Das macht die Liga auch nicht attraktiver.

STANDARD: Sind die Zweifel angebracht?

Daxbacher: Wenn man sich die teils niedrigen Spielergehälter ansieht und dann trotzdem Vereine in die Insolvenz schlittern, ist das kein gutes Zeichen. Dass dadurch die Abstiegsfrage bereits im November geklärt ist, hilft dem Wettbewerb auch nicht unbedingt.

STANDARD: Im Kampf um den Aufstieg mischt St. Pölten mit, das haben die wenigsten erwartet. Sind auch Sie überrascht?

Daxbacher: Ja, ich habe mit einem etwas stärkeren Lask gerechnet. Unser Ziel war es, die Spitze bis zur Winterpause nicht aus den Augen zu verlieren. Dass wir nun punktegleich vorne stehen, übertrifft unsere Erwartungen.

STANDARD: Sie haben lange vermieden, über den Meistertitel zu sprechen. Ist die Zeit des Understatements nun beendet?

Daxbacher: Wenn man da oben steht, muss man die Ziele anpassen. Natürlich wollen wir Meister werden. Aber es kann auch schnell in eine andere Richtung gehen. Wir starten im Frühjahr mit zwei Auswärtsspielen in Liefering und Lustenau. Das werden ganz schwierige Aufgaben.

STANDARD: St. Pölten hat nach einem durchwachsenen Saisonstart eine Serie von fünf Siegen hingelegt. Wie kam es zur Wende?

Daxbacher: Vielleicht haben die Spieler etwas Zeit gebraucht, um das System zu verinnerlichen. Vielleicht war es auch nur die Rückkehr einiger Verletzter. Manuel Hartl, Lukas Thürauer und Tomasz Wisio sind uns abgegangen. Durch die Erfolge hat die Mannschaft Selbstvertrauen gewonnen.

Der Liga wurde für diese Saison ein Zuseherboom vorhergesagt. Die Statistik widerspricht.

STANDARD: Sie sind schon eine halbe Ewigkeit im Trainergeschäft. Wie hat sich der österreichische Fußball seither entwickelt?

Daxbacher: Positiv. Die besten Spieler machen den logischen Schritt ins Ausland, viele können sich dort durchsetzen. Das hilft dem Nationalteam, senkt aber zwischendurch das Niveau der Liga. Mit den Topligen können wir aber ohnehin nicht mehr mithalten, das muss man akzeptieren.

STANDARD: Ist ein starkes Nationalteam einer starken Liga vorzuziehen?

Daxbacher: Das Nationalteam ist die Visitenkarte, es dokumentiert die geleistete Arbeit. Auch wenn einige Junge im Ausland ausgebildet werden. Die Spieler, die ich bei der Austria trainiert habe, stellen heute den Stamm der Nationalmannschaft. Baumgartlinger, Dragovic, Junuzovic, Klein, Okotie, Suttner. Nun geht es darum, dieselbe Situation aufs Neue zu entwickeln. Bei Rapid stehen einige Spieler im Fokus, die Nachwuchsarbeit funktioniert.

STANDARD: Eine Frage muss noch sein: Was trauen Sie dem Team bei der Europameisterschaft zu?

Daxbacher: Alles ist möglich, auch ein Scheitern in der Vorrunde. Oft hängt es an Kleinigkeiten. Aber die Art und Weise wie sich das Team qualifiziert hat, war beeindruckend. Spiele in Schweden und Russland waren jahrelang sichere Niederlagen, diesmal wurden sie gewonnen – und das waren keine glücklichen Siege. (Philip Bauer, 1.12.2015)