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In den USA ist Scientology ein registrierter Markenname.

Foto: REUTERS/Mario Anzuoni

Als sich Ober-Scientologe Tom Cruise vor einigen Jahren als Hitler-Attentäter präsentierte, wurde ihm in Moskau noch der rote Teppich ausgerollt. Selbst der staatliche erste Kanal rief ihn ins Nachrichtenstudio. Gegenüber der von Cruise beworbenen Scientology-Kirche zeigten sich russische Justizbeamte weniger entgegenkommend. Das Moskauer Stadtgericht entschied, dass die Organisation die Religionsfreiheit für kommerzielle Zwecke missbrauche.

Die Richter folgten der Argumentation des Justizministeriums, wonach Scientology mithilfe seines in den USA registrierten Markennamens selbst die Religionsfreiheit eingeschränkt habe. Zudem habe die Moskauer Scientology-Kirche ihre Tätigkeit nicht – wie in der Lizenz gefordert – auf die russische Hauptstadt beschränkt. Damit wird ihr der Religionsstatus entzogen, innerhalb von sechs Monaten soll die Organisation liquidiert werden.

Scientology hat bereits Widerspruch angekündigt: "Es ist erstaunlich, dass unserer Organisation Handlungen angekreidet werden, die für viele Religionsgemeinschaften üblich sind, an denen das Justizministerium nichts auszusetzen hat", heißt es in einer Presseaussendung von Scientology, gefolgt von dem Versprechen, sich an das Oberste Gericht Russlands zu wenden.

Einstufung als extremistisch

Die Chancen auf einen Erfolg sind allerdings relativ gering: Seit Jahren versuchen die russischen Behörden den Einfluss von Scientology, die eigenen (aber wohl überhöhten) Angaben nach eine halbe Million Anhänger im Land hat, einzudämmen. Vor acht Jahren wurde das Scientology-Zentrum in St. Petersburg geschlossen, nachdem die Gesetzeshüter der Organisation das Angebot kostenpflichtiger Kurse und medizinischer Dienste ohne entsprechende Lizenz zum Vorwurf machten.

2011 hat ein russisches Gericht gar die Schriften von Scientology-Gründer Ron Hubbard als extremistisch eingestuft. Begründung: Die Texte seien auf die "Formierung isolierter Gruppen ausgerichtet", die gegen den Rest der Welt kämpfen müssten. Der Sekten-Vorwurf gewissermaßen. Die in Russland führende orthodoxe Kirche bezeichnet Scientology seit jeher als "totalitäre Sekte" und ist freilich mit dem Begriff auch nicht sehr wählerisch.

Ihre Hochphase hatte Scientology in den 1990er-Jahren, als auch andere Missionare das nach jahrzehntelangem Atheismus zu neuer Religiosität strebende Russland überschwemmten. 1994 wurde sie als Religionsgemeinschaft in Moskau registriert, die ersten Missionare sollen allerdings schon in den 1980er-Jahren in der Sowjetunion aktiv gewesen sein.

Seither hat es eine Reihe von Skandalen um Scientology gegeben. Einer der größten ereignete sich nach dem Blutbad von Beslan 2004: Scientology startete kurz nach der Tragödie eine massive Werbekampagne und schaltete sogar mehrere Reklamespots, in denen sie die noch unter Schock stehenden Einwohner von Beslan in ein Zentrum für psychologische Hilfe einluden, wo sie Literatur verteilten. Die Behörden wiesen nach dem Vorfall rund 20 Scientology-Mitglieder aus der Kaukasusregion aus. (André Ballin aus Moskau, 2.12.2015)