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Am Montagabend wurde der Leichnam des russischen Piloten Oleg Peschkow nach Moskau überstellt. Er starb nach dem Abschuss seiner SU-24 durch die türkische Luftabwehr.

Foto: AFP/Russisches Verteidigungsministerium

Die Nato ist im Grunde träge. Interne Reformen im Militärbündnis aus 28 Staaten, das waffentechnisch und finanziell von den USA dominiert wird, aber auch die Aufnahme weiterer Mitglieder haben lange Vorläufe.

So war es nicht ganz verwunderlich, dass die vorgesehene Tagesordnung der Allianz beim zweitägigen Herbsttreffen im Hauptquartier in Brüssel, das am Dienstag auf Ebene der Außenminister begann, etwas überholt anmutete und dann ganz von aktuellen Bedrohungen und Ereignissen rund um Syrien dominiert war.

Auf dem Papier hätten eigentlich die Aufträge der Staats- und Regierungschefs vom letzten Gipfel in Wales 2014 ins Ziel gebracht werden sollen. Seit Wochen arbeiten sich die Stäbe von Generalsekretär Jens Stoltenberg an der Liste ab: Konsequenzen aus dem geplanten Abzug der Truppen in Afghanistan, der nun wegen der angespannten Sicherheitslage verschoben wird – 12.000 Soldaten bleiben; Erhöhung der Einsatzfähigkeit vor allem in Osteuropa – Folge der Annexion der Krim durch Russland und des folgenden Krieges von Separatisten mit der Armee im Osten des Landes; Aufstockung der nationalen Verteidigungsbudgets, um die USA zu entlasten; Vorbereitung der Aufnahme neuer Mitglieder.

Die ganze Aufmerksamkeit der Außen- und Verteidigungsminister nahmen aber von Beginn an die Entscheidungen wichtiger Mitglieder in Anspruch, sich an militärischen Einsätzen gegen den Islamischen Staat (IS) im Mittleren und Nahen Osten zu beteiligen. Seit einem Jahr fliegen die USA mit Unterstützung Großbritanniens Luftangriffe gegen Stellungen des IS.

Am Dienstag beschloss die deutsche Regierung, dem Wunsch Frankreichs zu folgen und sich an einer Militäraktion gegen den IS in Syrien zu beteiligen (siehe Seite 3). Der britische Premier David Cameron kündigte seinerseits eine Ausweitung des britischen Einsatzes auf Syrien an, und er sollte dafür die Unterstützung des britischen Parlaments bekommen.

Der zweite aktuelle Konflikt, der das Nato-Treffen dominierte, waren die Spannungen zwischen dem Mitglied Türkei und Russland nach dem Abschuss eines Kampfflugzeuges der russischen Armee, das türkisches Hoheitsgebiet trotz einer Warnung überflogen hatte. Stoltenberg betonte das Recht eines Staates, sein Territorium zu verteidigen. Die Nato will die Türkei beim Ausbau der Luftüberwachung unterstützen, sagte Stoltenberg am Dienstag.

Da die willigen Nato-Staaten zum Kampf gegen den IS in Syrien aber Russland als Partner benötigen, liefen seit Tagen gleichzeitig Bemühungen, den Konflikt zwischen Ankara und Moskau abzukühlen. Auch US-Präsident Barack Obama drängte am Rande des Umweltgipfels in Paris auf Spannungsabbau.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich bereiterklärt, in Syrien eng mit den USA, Frankreich und den Briten zu kooperieren, sich sogar an einem gemeinsamen Generalstab zur Einsatzplanung zu beteiligen. Das ist eine politisch-diplomatische Herausforderung ersten Ranges für die Nato selbst. Denn seit Ausbrechen des Konflikts um die Ukraine ist der Nato-Russland-Rat von 1999 eingefroren (ein politisches Partnerschaftsgremium auf höchster Ebene zur Kooperation).

Kooperation und Sanktionen

Die USA und die EU-Staaten (22 sind Nato-Mitglieder) haben zudem bestehende Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Sie laufen regulär am 1. Jänner aus und müssen in der Union (einstimmig) verlängert werden. In Brüsseler Militärkreisen hieß es, das dürfte im EU-Außenministerrat Mitte Dezember auch geschehen – vorläufig aber nur für weitere sechs Monate. Nicht ausgeschlossen wird, dass Putin sowohl für eine militärische Kooperation als auch für sein diplomatisches Entgegenkommen bei den Verhandlungen über eine Friedenslösung für Syrien einen Preis fordern wird.

Daher ist die von der Regierung in Kiew geforderte Aufnahme der Ukraine in die Nato kein Thema. Offiziell heißt es, ein Land, das mit einem Nachbarn in einen Konflikt verwickelt ist, könne nicht Nato-Mitglied werden. Das Gleiche gilt für Georgien und Mazedonien. Nur bei Montenegro ist das anders. Das kleine Land auf dem Westbalkan wird (nach Albanien und Kroatien 2008) von der Allianz eine Einladung zur Mitgliedschaft erhalten, die in etwa eineinhalb Jahren umgesetzt wird. (Thomas Mayer aus Brüssel, 1.12.2015)