Setzt auf Sport als Antiagressionstraining und die Macht der positiven Gedanken: Birol Yilmaz will mehr vermitteln als nur Fußball.

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Yilmaz staubt aus den Händen von Franz Wolf (Geschäftsführer des Österreichischen Integrationsfonds), Integrationsminister Sebastian Kurz und Sportminister Gerald Klug den Hauptpreis ab.

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Wien – Dass Europa beim Flüchtlingsthema mittlerweile auf der Euphoriebremse steht, davon war im Wiener Haus des Sports im Sinne der Sache nichts zu spüren. "Ich freue mich riesig, bin total baff. Ich konnte meinen Traum nicht verwirklichen, aber ich will, dass er im Erfolg der Kinder weiterlebt", sagt Birol Yilmaz dem STANDARD. Der 35-jährige gebürtige Türke ist Fußballtrainer im steirischen Leoben. Für seine Initiative "Bewegung mit dem Ball", bei der Kinder aus 15 verschiedenen Ländern miteinander sporteln und Deutsch lernen, wurde Yilmaz bei der Verleihung des Integrationspreises Sport 2015 zum Sieger gekürt.

Zum achten Mal zeichnet der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) Sportprojekte aus, die die Integration von Migrantinnen und Migranten fördern. Der Hauptpreis ist mit 3000 Euro dotiert.

Ehrenamtliches Projekt

Seit eineinhalb Jahren arbeitet Birol Yilmaz ehrenamtlich an seinem Projekt, bisher gab es keine finanzielle Unterstützung. Anfangs war es nur eine Handvoll, mittlerweile betreut Yilmaz 75 Kinder zwischen sechs und 17 Jahren. "Da sind viele Talente dabei, die sich den Mitgliedsbeitrag für einen Sportverein nicht leisten können. Ich drohe nicht mit Strafen, will positiv motivieren. Viele müssen erst einmal lernen, sich untereinander zu respektieren."

Dafür ist Yilmaz auch in Schulen gegangen, zu Lehrern, zu Eltern. Heute kaum mehr zu glauben: Manchen Kindern wurde die Teilnahme auf Befehl von zu Hause verboten. "Weil Eltern Angst haben, dass ihre Kinder ihre eigene Kultur und Sprache vergessen. Ich hab meine Herkunft auch nicht vergessen, lebe aber seit 27 Jahren aktiv in dieser Gesellschaft."

Von Konya nach Donawitz

Yilmaz stammt aus der türkischen Millionenmetropole Konya, als Volksschüler kam er nach Leoben. Der Vater arbeitete in einer Bäckerei, die Mutter war Hausfrau. Seine nächste Station führte ihn nach Messendorf – Sturm Graz. Yilmaz trainierte unter dem Meistertrainer Ivica Osim, war auf dem Weg zum Fußballprofi. Mit 21 Jahren endete sein Traum abrupt mit der Diagnose Lymphknotenkrebs – ein bösartiger Tumor. "Ich war in Gedanken nie mit dem Tod beschäftigt." Es folgte eine lange Chemotherapie, die Haare fielen aus, die Krankheit wurde besiegt, "ich hatte aber keine Kraft mehr für eine Profikarriere".

Yilmaz ging zurück nach Leoben, genauer gesagt nach Donawitz, in eine Gegend mit hoher Arbeitslosigkeit und vielen Bewohnern mit Migrationshintergrund. Heute arbeitet er mit den Kinder jeden Tag, neben seiner Tätigkeit beim Fußballverein. Fußball ist aber nicht die Hauptsache. Am Wochenende geht Yilmaz mit den Kindern Schwimmen, ins Kino oder ins Museum. "Für manche ist das Neuland." In Zeiten des Handydauerklingelns steht aber auch Meditation auf dem Programm.

Sport als Brückenbauer

Eine Laudatio für den Sport als Brückenbauer zwischen Kulturen hielten die Schirmherren des Preises, Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) sowie Sportminister Gerald Klug (SPÖ). Integration wurde als eigener Förderungsbereich im neuen Bundes-Sportförderungsgesetz verankert. Vom Sportministerium wurden von 2011 bis 2015 Projekte mit mehr als einer Million Euro gefördert. Birol Yilmaz hat bislang viele Arbeitsstunden ehrenamtlich verrichtet. Wenn er über Kürzungen in Sozialtöpfen spricht, schüttelt er den Kopf.

Beim Grazer Integrationsverein Ikemba war Yilmaz engagiert, auf zu viele leere finanzielle Versprechen folgte aber die Trennung. Privat lebt Birol Yilmaz Integration, ist seit 13 Jahren mit einer Österreicherin liiert, die ihn unterstützt. Im Zuge der Flüchtlingskrise sind auch Schutzsuchende in Leoben angekommen. "Ich habe Geschichten gehört von Menschen, die von der Türkei nach Griechenland geschwommen sind. Ich will helfen, dass ihre schreckliche Flucht nicht umsonst war." (Florian Vetter, 2.12.2015)