Er sieht eigentlich sehr beruhigend aus mit dem roten Mantel um seine Schulter und dem Weihrauchfässchen in der Hand. Der 9. Jänner ist der Tag des Erzdiakons Stephan in der serbisch-orthodoxen Tradition. Doch ausgerechnet um diesen Tag ist ein riesiger Streit in Bosnien-Herzegowina ausgebrochen, obwohl man zu Ehren des Erzdiakons erwähnen sollte, dass in Bosnien-Herzegowina praktisch über alles gestritten wird.

Auch das serbische Mitglied der Präsidentschaft, Mladen Ivanić, ist über den Wirbel traurig. "Immer, wenn Bosnien-Herzegowina beginnt, irgendetwas Normales zu machen, wenn positive Dinge geschehen, passiert irgendetwas, das uns zurückwirft."

Der Hintergrund: Die stärkste bosniakische Partei SDA mit ihrem Chef Bakir Izetbegović hat eine Klage gegen die Abhaltung des bereits traditionellen Republikfeiertags am 9. Jänner im bosnischen Landesteil Republika Srpska (RS) eingebracht. Am 9. Jänner 1992 wurde die Republika Srpska von bosnisch-serbischen Politikern ausgerufen, die gegen die Unabhängigkeit Bosnien-Herzegowinas von Jugoslawien waren, unter anderem weil die Serben die Sorge hatten, von der bosniakischen Mehrheit in dem neuen bosnischen Staat unterdrückt zu werden.

Vereinigung mit Serbien

Eine große Zahl der bosnischen Serben war gegen den bosnischen Staat, sie wollte lieber eine Vereinigung mit Serbien. Die Republika Srpska ist für viele bosnische Serben heute so etwas wie ein Kompromiss – denn in der RS mit ihren weitgehenden Autonomierechten fürchten sie keine Majorisierung durch die Bosniaken. Und der 9. Jänner ist in der RS ein wichtiger Feiertag. Die Klage der SDA gegen den Feiertag war für die bosnisch-serbischen Eliten eine Provokation.

Anders ist die Situation für die wenigen Bosniaken und Kroaten, die in der RS bleiben konnten oder nach dem Krieg zurückgekehrt sind. Sie verbinden mit dem 9. Jänner oft den Beginn der Politik der Vertreibung und wollen ihn nicht feiern. Nun hat das bosnische Verfassungsgericht entschieden, dass die RS tatsächlich den Feiertag nicht mehr am 9. Jänner begehen soll, weil man damit Menschen mit einem anderen ethnischen oder religiösen Hintergrund diskriminieren würde. Innerhalb von sechs Monaten solle die RS das Gesetz entsprechend ändern.

Alle wichtigen bosnisch-serbischen Parteien sehen die Entscheidung des Verfassungsgerichts aber als Affront und wollen nun in einer Volksabstimmung darüber abstimmen lassen. Der Präsident der RS, Milorad Dodik, meinte, dass die Entscheidung des Gerichts ohnehin nur durch Intervention der internationalen Vertreter zustande gekommen sei und man so schnell wie möglich ein Gesetz über den Verfassungsgerichtshof machen müsse. Dodik ist seit langem gegen die Präsenz der internationalen Gemeinschaft.

Ärger über internationale Richter

Dodik kritisiert auch seit langem das Verfassungsgericht, in dem neben sechs Bosniern (zwei Bosniaken, zwei Serben, zwei Kroaten) auch drei internationale Richter sitzen. Er verlangt nun, dass das Parlament auf der gesamtstaatlichen Ebene innerhalb von 120 Tagen das Gesetz so ändert, dass die internationalen Richter das Gericht verlassen müssen und das Mandat des Gerichts eingeschränkt wird. Andernfalls erwäge man, alle Mandatare aus der RS aus dem Parlament abzuziehen.

Mit diesem politischen Ansinnen spitzt sich die Situation weiter zu. Denn Dodik hat bereits angekündigt, ein Referendum über die gesamtstaatliche Justiz abzuhalten. Er ist für die Abspaltung der RS von Bosnien-Herzegowina. Ivanić sagte, dass die ausländischen Richter gar nicht in Bosnien-Herzegowina lebten, sondern nur dafür bezahlt würden, für ein paar Tage im Land zu sein. "Und dann hinterlassen sie ein Chaos." Tatsächlich kam der Spruch des Verfassungsgerichts durch die internationalen und die bosniakischen Richter zustande. (Adelheid Wölfl, 2.12.2015)