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Albin Kurti am 28. November in Prishtina.

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Tränengas im kosovarischen Parlament am 30. November. Die Opposition will ein Abkommen mit Serbien verhindern.

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Zusammenstöße zwischen Polizei und Oppositionellen Mitte November in Prishtina.

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In Prishtina ist alles beflaggt. Neben der albanischen Flagge – dem schwarzen Adler auf rotem Grund – hängen Plakate, die dazu auffordern, dass die Kosovaren nur albanische Produkte kaufen sollen. Auch auf den roten Lichtern der Verkehrsampeln steht mit schwarzen Lettern geschrieben, man solle serbische Produkte boykottieren. Der 28. November ist der albanische Flaggentag. In allen Schaufenstern Prishtinas sind jedes Jahr an diesem Tag rote und schwarze Kleidungsstücke zu sehen. In der Mutter-Teresa-Straße versammelten sich am Samstag tausende Kosovaren mit Fähnchen in der Hand.

Opposition blockiert Parlamentsarbeit

"Die haben das verdient. Die sind alle korrupt", meint der 21-jährige Blerim L., der trotz des kalten Regens zur Demonstration gekommen ist. Der Landwirtschaftsstudent ist ein großer Fan von Albin Kurti, und er findet, dass es nur gerecht ist, wenn die Oppositionspartei "Selbstbestimmung" die Parlamentsarbeit mit Tränengasattacken lähmt.

"Selbstbestimmung", auf Albanisch Vetvedendosje, blockiert seit Anfang Oktober gemeinsam mit zwei anderen Oppositionsparteien, der AAK von Ramush Haradinaj und Nisma von Fatmir Limaj, die Parlamentsarbeit. Ihr Argument: Das Abkommen mit Serbien, das eigentlich bereits 2013 geschlossen wurde, sei für den Kosovo gefährlich, und durch das Abkommen mit Montenegro über den Grenzverlauf verliere der Kosovo 12.000 Hektar Land. Jedes Mal, wenn es zu Abstimmungen kommt, sprüht wieder irgendeiner mit Tränengas, und alle müssen aus dem Plenarsaal laufen.

Kurti: Ein Intellektueller mit Street-Credibility

Kurti ist nicht mit den Ex-UÇK-Führern Haradinaj und Limaj zu vergleichen. Er war ein Studentenführer, er ist ein Intellektueller, er zitiert gern Hegel, und er trägt schwarze Rollkragenpullis wie die französischen Existenzialisten. Er hat ein weitreichendes theoretisches Konzept, mit dem er seit Jahren gegen die Präsenz der internationalen Gemeinschaft in der "Quasikolonie" Kosovo argumentiert. Er ist nicht wie viele andere an bloßem Machtgewinn oder Geld interessiert. Albin Kurti hat so etwas wie Street-Credibility. Und dennoch setzt er auf die gleichen Themen wie die alten Krieger Haradinaj und Limaj. Vetvedendosje steht sogar für das nationalistische Projekt "Großalbanien", das per Verfassung verboten ist.

Am Sonntag wurde Kurti nach der Demonstration festgenommen – er selbst hatte Tage zuvor Tränengas im Parlament versprüht. Die Polizei stürmte das Büro der Partei, dort wurden unter anderem Gasmasken gefunden. Mit Kurti wurden etwa 90 Personen arrestiert.

Die Aktion gilt als juristisch und politisch sensibel. Denn Kurti kann schnell zum Märtyrer werden. Selbst die Kosovo-Berichterstatterin des EU-Parlaments, die österreichische Grüne Ulrike Lunacek, kritisiert den Zeitpunkt der Verhaftung. Die Verhaftung sei auch nicht dienlich, um eine Lösung der politischen Krise zu finden. Lunacek forderte Opposition und Regierung dazu auf, sich an einen Tisch zu setzen. Die Gewalt untergrabe wichtige Prozesse im Kosovo, so Luancek. Kurtis Verhaftung empört seine Anhänger. Selbst in Tirana gibt es jetzt Demonstrationen für seine Freilassung.

"Das mit dem Tränengas ist blöd"

Vor der Verhaftung am Samstag hielt Kurti noch eine flammende Rede auf der Mutter-Teresa-Straße im Zentrum von Prishtina. Die vier jungen Frauen, die vor dem Schneeregen unter ein Hausdach flüchten, sind auch Fans von ihm. Sie hoffen, dass er das System verändert und mit der Korruption aufräumt. Das Einzige, was sie von den männlichen Demonstrationsbesuchern unterscheidet, ist, dass sie keine Gewalt mögen. "Das mit dem Tränengas ist blöd. Aber sonst ist alles, was er sagt, richtig", sagt Mirlinda.

Vetvedendosje ist vor allem bei jungen Leuten beliebt – insbesondere bei Studenten. Auch der Bürgermeister von Prishtina, Sphend Ahmeti, gehört der Vetvedendosje an. Am ehesten ist die Partei wohl mit anderen linken Protestparteien wie der spanischen Podemos und der griechischen Syriza zu vergleichen. Völlig offen ist, wie es zu einer politischen Lösung der Krise kommen könnte. Zurzeit scheint eine Zuspitzung viel wahrscheinlicher. (Adelheid Wölfl, 2.12.2015)