Imposante Oberweite, schmale Hüften, lange Beine: Mädchen weltweit wünschen sich zu Weihnachten Barbiepuppen und ähnliche Charaktere. Kritiker sagen, sie vermitteln ein falsches Frauenbild. Laut der Grazer Erziehungswissenschafterin Evangeline Adler-Klausner löst das Spiel mit der Modepuppe eine Geschlechterstereotype mit präskriptivem Charakter aus und gebe damit vor, wie Frauen "sein sollen".
Während Buben im Weltraum oder auf hoher See Abenteuer bestehen oder als mutige Ritter für das Gute kämpfen, bietet die Spielindustrie für Mädchen unter anderem eine "Traumfrau" mit unrealistischen Körperproportionen an: Zu groß ist der Kopf, viel zu lange die fast gelenklosen Beine. "In der westlichen Gesellschaft besitzt nahezu jedes Mädchen eine oder mehrere solcher Puppen, im Alter zwischen drei und zehn Jahren sind es an die neunzig Prozent mit mindestens einem Exemplar", schilderte Adler-Klausner Dienstagabend in einer Veranstaltung an der Universität Graz. Und dazu gebe es viel Kleidung, Accessoires, rosa Beautysalons oder Ponyhöfe als Spielumgebung.
Spielen prägt
"Spielen ist wichtig für die Entwicklung von motorischen, sensorischen und kognitiven Fähigkeiten, es hilft, mit Lernprozessen oder Konflikten umzugehen", betonte die Grazer Wissenschafterin, die jüngst ein Studium der Interdisziplinären Geschlechterstudien absolviert hat. Die Beschäftigung mit Spielzeug sei zudem Teil der Sozialisation von Kindern. Modepuppen wie Barbie könnten durchaus auch als Rollenmodell für junge Mädchen fungieren, hielt Adler-Klausner fest. Studien gäben Hinweise, dass das Spiel mit solchen Puppen deutliche Auswirkungen zeigen kann und die Mädchen denken, ähnlich aussehen zu müssen, um später als "Frau" wahrgenommen zu werden. Im Spiel entstünden Bilder, die beschreiben, was die Heranwachsenden später im Leben erwartet.
Außerdem fänden sich in Spielzeuggeschäften Unmengen von "Zubehör", das zu den Puppen als "Accessoire für die Mädchen" zusätzlich angeboten wird: Stöckelschuhe für Drei-bis Sechsjährige beispielsweise. "Abgesehen von den gesundheitlichen Folgen, werden Mädchen damit in sehr jungen Jahren sexualisiert. Sie bekommen vermittelt, dass sie gefallen sollen. Und durch die Bestätigung der Umwelt, dass dies so ist, werden sie schon früh konditioniert, darauf zu achten und so ihren eigentlichen Wünschen und Talenten entsagen", kritisierte Adler-Klausner. Das Ausmaß und der Grad der sexualisierenden Gestaltung von Puppen, die ähnlich erwachsenen Frauen gestaltet sind, nehme zu.
Rollenklischees
Die Fokussierung auf Aussehen und "Styling" lasse befürchten, dass insbesondere Mädchen, durch ihre Beschäftigung mit Spielzeug, Puppen und Barbies sowie dem jeweiligen Zubehör "in Rollenklischees gepresst werden und dadurch andere Aspekte ihres Seins und ihrer Fähigkeiten nicht ausleben können". Das alles bedeute nicht, dass sich Mädchen, die mit Puppen aus dem Barbie-Universum gespielt haben, zwangsläufig "püppchenhaft" verhalten: "Die Umgebung, die Eltern, Freunde und Freundinnen, Kindergarten, Schule und alle Einflüsse, die zusätzlich von außen auf die Kinder einwirken, haben ebenfalls Effekt", sagte die Grazer Geschlechterforscherin.
Der Rat der Expertin für Eltern: "Wir sollten Kindern alle Möglichkeiten offen lassen und gerade als Frauen Vorbilder sein. Mädchen sollten beispielsweise Schuhe bekommen, mit denen sie gut laufen, klettern und ungehindert die Welt erobern können. Wenn sie in Stöckelschuhen und rosa Kleidchen herumlaufen, sind in ihren Möglichkeiten eingeschränkt." Wenn die Umgebung und die Eltern nicht darauf achten, den Kindern Wahlfreiheit zu lassen und sie nicht ermutigen, tatsächlich frei zu spielen, werde der Handlungsspielraum kleiner. "Das Spiel mit Barbie alleine macht noch keine 'lebendige Puppe" aus Mädchen." (APA, 2.12.2015)