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Für die Behandlung von Patienten sei für Ärzte durch viel Administrationsaufwand nur bedingt Zeit, warnen Ärztevertreter. Die Arbeitsbedingungen im Spital müssten sich bessern.

Foto: APA / Barbara Gindl

Wien – Es ist paradox: Bis auf einen winzigen Knick von 0,3 Prozent im Jahr 2013 ist die Zahl der in österreichischen Krankenhäusern arbeitenden Ärzte in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich angestiegen. Auch in Vollzeitäquivalenten geht die Entwicklung eindeutig (sogar ohne Knick) nach oben: 18.617 waren es vor zehn Jahren, 21.757 im heurigen Jahr. Trotzdem warnte die Bundeskurie Angestellte Ärzte in der Ärztekammer am Mittwoch in einer Pressekonferenz davor, dass den Spitälern die Ärzte ausgingen.

Deren Obmann Harald Mayer sagte: "Wenn wir so weitermachen, wird sich die Lage deutlich verschlechtern." Das sei "wenig verwunderlich" und "zu erwarten gewesen". Denn mit der Novellierung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes und damit der Einführung der 48-Stunden-Woche seien die Ärzte nun mal um 20 Prozent weniger lange im Spital. Die ärztliche Direktorin der Uniklinik Innsbruck, Alexandra Kofler, hatte am Dienstag bekanntgegeben, dass in einzelnen Abteilungen der Uniklinik bis zu zehn Prozent der geplanten Operationen entfielen, vor allem wegen des Mangels an Anästhesisten.

Immer mehr Fälle in Ambulanzen

Zugleich steigt österreichweit – bis auf einen Knick im Jahr 2012 – auch die Zahl der ambulanten Fälle. In Fondsspitälern waren es im Vorjahr 8,27 Millionen, fünf Jahre zuvor waren es noch 7,94 Millionen gewesen. Immer weniger Ärzte würden zudem Vollzeit in einem Krankenhaus arbeiten wollen, und in den kommenden zehn Jahren werde rund ein Viertel der derzeit tätigen Ärzte in Pension gehen. Außerdem werde mit Ressourcen "unstrukturiert" und "unüberlegt" umgegangen, sagte Mayer. So seien vor allem Jungärzte bis zu 40 Prozent ihrer Zeit mit Dokumentation und Administration beschäftigt. Weiters verstärke die Abwanderung von Absolventen des Medizinstudiums ins Ausland den Mangel, ebenso wie der Umstand, dass viele, die ein Medizinstudium abschließen würden, dann doch einen anderen Beruf ergriffen.

Studium fertig: 500 Absolventen gehen weg

Zur Abwanderung junger Mediziner, vorrangig nach Deutschland, sagte der Obmann der Bundessektion Turnusärzte, Karlheinz Kornhäusl: "Allein in Deutschland sind derzeit mehr als 2600 österreichische Ärzte gemeldet", sagt Kornhäusl. Es gehe ihnen darum, eine gute Ausbildung zu bekommen, deshalb wanderten viele ab. Die 2014 erfolgte Einigung auf die Reform der Ausbildung sei zwar "ein Wurf", aber diesen müsse man erst mit Leben erfüllen. Kornhäusl rechnete vor, dass von 1500 Studierenden, die jedes Jahr das Medizinstudium beginnen, jährlich 1300 bis 1400 fertig werden. Allerdings wanderten von diesen pro Jahr rund 500 ins Ausland ab, rechnete Kornhäusl vor.

Diese müsse man zurückholen – im Vorjahr kamen laut Ärztekammer lediglich 56 Ärzte aus Deutschland nach Österreich zurück. Zusätzlich müsse man durch attraktivere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen auch mehr Jungärzte im Land halten. Wobei ja rund 20 Prozent der Studienplätze für nichtösterreichische EU-Bürger und weitere fünf Prozent für Studierende aus Drittländern reserviert sind.

Nur jeder Dritte will im Spital bleiben

Nur ein kleiner Teil der Ärzte könne sich vorstellen, das berufliche Leben im Spital zu verbringen, sagte Rudolf Knapp, stellvertretender Obmann der Bundeskurie Angestellte Ärzte. Von den Turnusärzten wolle nur rund jeder Dritte im Krankenhaus tätig bleiben. Knapp rechnete vor, dass es nicht nur eine Migration von Medizinern ins Ausland, sondern auch eine in den Privatsektor gebe.

Während die Zahl der niedergelassenen Ärzte mit Kassenvertrag binnen 14 Jahren um vier Prozent sank, sei jene der Wahlärzte um 124 Prozent gestiegen. Mayer zufolge käme es vermehrt zu dieser Abwanderung in den Privatsektor, "weil sich die Kollegen die Tretmühle Spital nicht mehr antun wollen". Privat tätige Ärzte seien aber "nicht gezwungen, versorgungswirksam zu arbeiten", gab Mayer zu bedenken. Sie könnten auch paramedizinisch tätig sein oder drei Wochen auf Urlaub fahren und nicht erreichbar sein.

Mehr Delegieren, weniger Administration

Mayer fordert, dass künftig mehr Handgriffe an die Pflege delegiert werden können. Es brauche zudem eine Entlastung von den administrativen Tätigkeiten und flexiblere Arbeitszeitmodelle – sowie eine Eindämmung der Ambulanzzahlen, was sich die Politik ja durch die Etablierung der geplanten Primärversorgungszentren erhofft. Für Mayer sind die Primary-Health-Care-Zentren allerdings nur ein Versuch, "von strukturellen Mängeln abzulenken".

Ministerium verweist auf Reformen

Im Gesundheitsministerium heißt es, man kenne die Problemlagen, und in jenen Punkten, für die man zuständig sei, seien Reformen geplant oder auf Schiene – etwa bei der Ausbildung des Pflegepersonals und der Jungärzte. Die mit 9. Dezember teilstartende Elektronische Gesundheitsakte Elga werde auch im administrativen Bereich Entlastung bringen, sagte eine Sprecherin der Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ). Mayer zeigte sich in Bezug auf Elga "hoffend", aber man müsse "die Realität abwarten".

Hauptverband droht Radiologen mit Klagen

Auch zu Vorwürfen gegen Röntgeninstitute nahm Knapp, selbst Radiologe, Stellung. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hatte, so berichtete das Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch, mögliche Klagen gegen Röntgeninstitute oder Vertragsauflösungen angekündigt, die – so der Vorwurf – unzulässig abkassierten, da sie Patienten vor die Wahl stellen würden, entweder wochenlang auf einen Termin warten zu müssen oder privat für die CT- und MRT-Untersuchung zu zahlen und sofort dranzukommen. Knapp sagte, die Vergütung für die Röntgeninsitute entspreche nicht der Realität, und verwies auf die – ihm zufolge zu geringe – Deckelung der Abgeltung für ihre Leistungen. Der Andrang steige zugleich aber kontinuierlich.

Radiologen weisen Vorwürfe zurück

"Offenbar hat nun spät, aber doch sogar der Hauptverband der Sozialversicherungen erkannt, dass die Lage bei den CT- und MRT-Untersuchungen unhaltbar geworden ist", hieß es in einer Reaktion von Manfred Baldt, Sprecher der Institute für Bildgebende Diagnostik. "Nur so lässt sich erklären, warum der Hauptverband jetzt ein von ihm selbst verursachtes Problem durch diffuse Klagsdrohungen lösen will", hieß es weiter in der Aussendung. Der Vorwurf sei "völlig unsinnig", teilte Baldt weiter mit. Und: "Die langen Wartezeiten haben in Wahrheit eine einzige Ursache: Die Untersuchungen wurden ab 2010 durch den Hauptverband gedeckelt, gleichzeitig steigt der Bedarf, und dadurch entstehen Wartezeiten." Zusätzlich habe sich die Situation durch den Wegfall der Chefarztpflicht bei vielen Kassen seit letztem Jahr verschärft. (Gudrun Springer, 2.12.2015)