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Marion Maréchal-Le Pen (re.), die 25-jährige Nichte von Marine Le Pen, tritt in der südostfranzösischen Region aus Provence, Alpen und Côte d'Azur an. Mit guten Chancen.

Foto: AFP/Hache

Die Angst ist in Frankreich groß – nicht so sehr vor einem neuen Terroranschlag, sondern vor einem Triumph des Front National (FN) bei den Regionalwahlen. Der erste Durchgang findet am Sonntag statt, und sämtliche Umfrageinstitute sagen den Frontisten ein weiteres Spitzenresultat von rund 30 Prozent voraus – einen Punkt mehr als den konservativen "Republikanern", acht Punkte mehr als den regierenden Sozialisten. Erstmals hat der FN gute Chancen, im zweiten Wahlgang eine Woche später eine erste oder gleich mehrere der – seit einer Gebietsreform noch 13 – Regionen zu erobern.

FN gut aufgestellt

Das gilt für Parteichefin Marine Le Pen im Norden und auch für ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen in der Region aus Provence, Alpen und Côte d'Azur. Marine Le Pens Lebenspartner Louis Aliot ist zudem in der neuen Superregion aus Languedoc-Roussillon und Pyrenäen gut positioniert, Parteivize Florian Philippot im neuen Verbund aus Elsass, Lothringen, Champagne und Ardennen. Die französischen Regionen haben nur gewisse Kompetenzen in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr und Mittelschulen. Die Wahl gilt allerdings als letzter Stimmungstest vor der nächsten Präsidentschaftswahl.

Die Sorge ist so groß, dass sich diese Woche auch unübliche Stimmen in den Wahlkampf eingeschaltet haben: Der Unternehmerverband Medef rechnete vor, wie schädlich das Parteiprogramm des FN – mit Euroausstieg und Abwertung – für die Wirtschaft wäre. Die Regionalzeitung La voix du nord gab ihre Neutralität auf und titelte über die ganze Frontseite: "Warum uns ein Sieg des FN beunruhigt". Alle Kommentatoren sind sich einig: Die islamfeindlichen und antieuropäischen Frontisten profitieren von den Terroranschlägen und vom Flüchtlingszustrom nach Europa (kaum nach Frankreich).

Rekordarbeitslosigkeit

Der FN-Vormarsch reicht allerdings weiter zurück und hat seinen Grund auch in der Rekordarbeitslosigkeit von fünf Millionen direkt Betroffenen und der Machtlosigkeit der etablierten Parteien dagegen. Der sozialistische Präsident François Hollande erlebt zwar momentan eine Umfrage-Renaissance: In einem Monat ist seine Popularität von 28 Prozent auf 50 Prozent hochgeschnellt. Damit erreicht er fast wieder die Werte aus der Zeit seiner Wahl im Mai 2012. Sein entschlossenes, bis nach Syrien wirkendes Vorgehen bei der Terrorbekämpfung bringt ihm Zustimmungsraten von 80 Prozent und mehr. Und das auch bei der Rechten, die sein Einstehen für nationale Symbole wie die Trikolore und die Marseillaise schätzt. Das Umfrageinstitut Ifop sieht darin aber auch einen "Beleg, dass dieser unglaubliche Popularitätszuwachs nicht anhalten wird". Schon nach den Charlie Hebdo-Anschlägen von Jahresbeginn hatte Hollande gepunktet, um bald wieder auf seine – tiefen – Normalwerte zurückzufallen.

Zudem weisen Politologen darauf hin, dass Hollande seine Partei offenbar nicht in die Höhe zieht: In den Umfragen haben die Sozialisten nicht zugelegt. Nicht besser ergeht es den Republikanern von Nicolas Sarkozy. Der Ex-Präsident glaubte die Regionalwahlen schon im Sack zu haben, um sich danach aus der Führungsposition in den Präsidentschaftswahlkampf stürzen zu können. Jetzt ist er eingeklemmt zwischen Le Pen und dem martialischen Diskurs Hollandes. Kurslos schlingert Sarkozy zwischen zwei Haltungen: Einmal hält er sich zwecks "unité nationale" staatsmännisch zurück, dann wieder wirft er Hollande vor, bei seinen Luftschlägen in Syrien keine möglichen Terrorreaktionen im eigenen Land bedacht zu haben. Konkret macht sich Sarkozy immer mehr FN-Themen zu eigen: Er will geheimdienstlich registrierte Radikalislamisten mit Fußfesseln versehen; der regelmäßige Besuch von Jihad-Webseiten soll mit Strafe belegt werden; und Schengen stellt Sarkozy prinzipiell infrage.

Marine Le Pen, die sich derzeit selber bremst, um sich ein staatstragendes Image zu geben, lächelt nur über die Abkupferversuche: Die Franzosen könnten das Original von der Kopie unterscheiden. (Stefan Brändle aus Paris, 3.12.2015)