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Eines der von der Küstenwache entdeckten zwölf Holzboote im Hafen von Wajima, einer Stadt auf der japanischen Halbinsel Noto. Vermutet wird, dass sie aus Nordkorea stammen.

Foto: AP

Es sind schaurige Funde, die die japanische Küstenwache in den vergangenen Wochen gemacht hat: Insgesamt zwölf hölzerne Boote wurden seit Oktober vom Ostmeer angeschwemmt, in ihnen entdeckten die Behörden 22 teils stark verweste Leichen. Von manchen seien nur mehr die Schädel auffindbar gewesen, berichtete der japanische Fernsehsender NHK.

Auch wenn sich die örtliche Polizei bisher nicht zur Herkunft der Geisterschiffe geäußert hat, lässt sich diese mit ziemlicher Sicherheit bestimmen: Auf einem der Boote wurden Schriftzeichen in Hangeul, dem koreanischen Alphabet, gefunden, und an einem weiteren hingen die Stofffetzen einer nordkoreanischen Flagge.

Erste Spekulationen machten schon bald die Runde, dass es sich bei den Leichen um nordkoreanische Bootsflüchtlinge handelt. Die gängige Fluchtroute verläuft zwar auf dem Landweg nach China, doch wird sie seit einigen Jahren zunehmend strenger bewacht. Zudem wäre es nicht das erste Mal, dass nordkoreanische Zivilisten auf offener See aufgegriffen werden. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich bei den Toten um nordkoreanische Fischer handelt, die bei Schlechtwetter von ihrem Kurs abgekommen sind.

Wichtige Einnahmequelle

Seit der 32-jährige Kim Jong-un den Diktatorenposten von seinem Vater geerbt hat, versucht er die verheerende Nahrungsmittelsituation in Nordkorea vor allem durch Fischerei zu stabilisieren. Einerseits bietet das Meer für das von Dürren und Überschwemmungen heimgesuchte Land eine wetterunabhängige Nahrungsquelle, andererseits bildet der Export von Tintenfischen und Königskrabben nach China eine der wenigen Einnahmequellen für ausländische Devisen.

In einem nordkoreanischen Fischereibetrieb hatte auch die heute 48-jährige Choi Yeong-ok gearbeitet, bevor sie 1998 fliehen konnte. "Wahrscheinlich sind die Fischer bei Schlechtwetter verloren gegangen", vermutet sie, die einst als Kapitänin eine Bootsmannschaft von sechs Seeleuten führte. Damals seien sie fast bei jedem Wetter in See gestochen, und wenn sie jetzt zurückblickt, erinnert sie sich an mehrere lebensbedrohliche Situationen.

Die nordkoreanischen Boote besitzen weder Navigationssysteme noch leistungsstarke Motoren, zudem gilt es die strengen Produktionsvorgaben der Vorgesetzten einzuhalten. Laut Choi Yeong-ok gibt es jedoch noch einen weiteren Grund, warum manche nordkoreanischen Seeleute hohe Risiken in Kauf nehmen würden: um ihre politische Treue unter Beweis zu stellen. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 3.12.2015)