Mit dem Lumia 950 kann Microsoft wohl Windows Phone-Fans zufrieden stellen, doch das Gerät erweist sich nicht als der erhoffte Heilsbringer, der der Windows-Plattform auf Mobiltelefonen zum dringend notwendigen Aufschwung verhelfen kann. So lautet die weitestgehend einhellige Meinung vieler Tester.

Die enttäuschten Hoffnungen soll nun SyncPhone von Nurve Technologies erfüllen. Denn statt mit Windows 10 Mobile soll das Handy dank Intel-Chip mit "vollwertigem" Windows 10 laufen und dazu auch Stifteingabe unterstützen. Damit entspricht es dem Traum vom "Surface Phone", den Microsoft bislang noch nicht erfüllt hat. Die Sache hat allerdings mehrere Haken.

Nurve

Drei Modelle zum Kampfpreis

Keine Kompromisse wolle man eingehen, schreiben die Erfinder des SyncPhone auf Indiegogo, jener Crowdfunding-Plattform, über welche die Herstellung des Gerätes finanziert werden soll. Drei Varianten des Geräts, SyncPhone, SyncPhone S (die Ausgabe mit Stift) und SyncPhone Pro, plant man. Die Plattform dafür soll die Atom Z8000-Reihe auf Basis der "Cherry Trail"-Architektur bilden.

Je nach Gerät sollen dabei bis zu acht GB RAM, 128 GB Speicher und eine 20-MP-Kamera neben den üblichen Standard-Features verbaut werden. Obendrauf gibt es einen microHDMI-Port und USB-C. Die Displaydiagonale wird, noch ohne Auflösung, mit 5,4 Zoll angegeben. Ein integrierter Kickstand soll das Gerät auf Wunsch sowohl in der Porträt- als auch in der Landscape-Position stehen lassen können.

Fotos existieren von dem Gerät bislang nicht, es gibt lediglich verschiedene Renderings, die auch in einem kurzen Video zu sehen sind. Trotzdem soll der Release in greifbarer Nähe sein. Als voraussichtliches Lieferdatum wird der Februar 2016 genannt. Wer früh zusagt, soll schon ab 199 Dollar ein SyncPhone, für 299 Dollar ein SyncPhone S und für 499 Dollar ein SyncPhone Pro erhalten, die geplanten Handelspreise liegen deutlich darüber.

Foto: SyncPhone

Nur drei Monate für fertiges Produkt

Dass das SyncPhone jemals vom Fabriksband läuft, ist allerdings auszuschließen. Trotz definierter Preise geben die Macher in einem ersten Update zu ihrer Kampagne an, dass sie sich noch nicht für Kapazität und chemische Zusammensetzung des Akkus entschieden hätten, aber derzeit ein 3.000-mAh-Modell mit Schnellladefunktion favorisieren würden. Dazu könnten sich noch viele Komponenten und das Aussehen des Gerätes ändern.

Zu beachten ist hier etwa der zeitliche Aspekt. Das Smartphone so es überhaupt in Entwicklung ist, hat offenbar noch nicht einmal den Status eines Prototyps erreicht. Unter Berücksichtigung realistischer Zeiten für Entwicklung und Fertigung, die durch Weihnachtsfeiertage bzw. das chinesische Neujahrsfest zusätzlich beeinträchtigt wären, wäre es unmöglich, die Handys bereits in drei Monaten auszuliefern.

Niedriges Finanzierungsziel, unbekanntes Team

Auch das Finanzierungsziel erscheint unrealistisch, es werdem allerdings keine Angaben über bisher eingeflossenes Eigen- und Fremdkapital gemacht. Die angestrebten 750.000 Dollar alleine sind für die Entwicklung und Herstellung eines Smartphones, insbesondere mit einer dafür bis dato nicht verwendeten Plattform, zu diesem Preis viel zu wenig.

Relevante Erfahrungswerte kann das Team ebenfalls nicht aufweisen. Nurve-Gründer Drew Maben ist nach eigenen Angaben Chef eines über die Kunstplattform Deviantart operierenden Verlags. Das Aushängeschild, ein Buch namens "Chief Executive Warrior", ist seit letztem Juli im Sortiment von Amazon.com zu finden. Dort rangiert es bei null Bewertungen aktuell abgeschlagen am achtmillionsten Platz.

Maben ist nach eigenen Angaben zudem erfahrener Programmierer, Techniker und hat "Viele Kurse in Computerwissenschaften" belegt. Das zweite genannte Teammitglied, besucht laut einem durch Namen und Foto zuordenbaren Facebook-Profil eine Oberschule in England, die dritte Person ist 3D-Künstler ohne weiter bekanntem Hintergrund.

Foto: SyncPhone

Keine Kontrolle

Das SyncPhone erweist sich schnell als unerfüllbares Versprechen, das potenziell auch ein PR-Gag sein könnte. Eine Finanzierung erscheint derzeit allerdings ohnehin unrealistisch. Die 750.000 Dollar sind als Fixbetrag definiert, müssen also bis zum Ablauf der Kampagne Ende Dezember erreicht werden, damit es tatsächlich zu einer Auszahlung kommt. Davon ist man aktuell aber weit entfernt.

In jedem Fall demonstriert die Existenz der Kampagne erneut, dass Plattformen wie Indiegogo oder Kickstarter neue Projekte offenbar nicht auf Glaubwürdigkeit prüfen. Das hat einige größere Seiten allerdings nicht davon abgehalten, teils unkritisch über das SyncPhone zu berichten – beispielsweise Neowin, WinBeta und Digital Trends.

Mutmaßlichen Scams gelingt Comeback auf Indiegogo

Ähnlich unglaubwürdig präsentierte sich vor einigen Monaten das schwimmende Smartphone Comet Core. Dort stellte man die vor dem Scheitern stehende Kickstarter-Kampagne angeblich wegen einer den Kickstarter-Richtlinien widersprechenden Beigabe ein und startete auf Indiegogo einen neuen Versuch – und konnte den Zielbetrag von 120.000 Dollar übertreffen.

Auch der Laserrasierer Skarp, dessen Echtheit stark in Zweifel zu ziehen ist, gelang ein Comeback. Auf medialen Druck hin forderte Kickstarter weitere Nachweise für die Existenz eines funktionstüchtigen Prototyps. Daraufhin wichen die Initiatoren ebenfalls zu Indiegogo aus, wo die Finanzierung trotz weniger Zulauf glückte. Während man sich bei CNet nach einem Vorort-Besuch bei den Entwicklern Ende November einigermaßen optimistisch gibt, scheint der Rasierer seit der Kickstarter-Kampagne im Oktober technisch kaum Fortschritte gemacht zu haben. Dennoch erklärt Skarp, im kommenden März ein fertiges Produlkt ausliefern zu wollen.

In beiden Fällen ist anzuzweifeln, dass die Unterstützer jemals ein fertiges, funktionierendes Produkt erhalten werden. Ein Schaden nicht nur für sie, sondern auch für das Konzept des Crowdfundings. (gpi, 05.12.2015)