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Oscar Pistorius wurde nun doch wegen Mordes verurteilt.

Foto: Reuters/SIPHIWE SIBEKO

Pretoria – Südafrikas ehemaliger Sportstar Oscar Pistorius ist am Donnerstag in seinem Berufungsverfahren wegen Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp verurteilt worden. Das Strafmaß für den 29-jährigen Leichtathleten wird im neuen Jahr vom Gericht der ersten Instanz festgesetzt – auf Mord steht in Südafrika eine Strafe von mindestens 15 Jahren Haft.

Im ersten Gerichtsurteil im Oktober 2014 bekam Pistorius für fahrlässige Tötung noch fünf Jahre Gefängnis. Knapp ein Jahr hatte der Behindertensportler hinter Gittern verbracht, anschließend stand er wegen guter Führung unter Hausarrest, den er in der Luxusvilla seines Onkels in Pretoria angetreten hatte.

Für Richter Eric Leach am Berufungsgericht in Bloemfontein war der Sachverhalt nach vierwöchiger Prüfung des Ersturteils eindeutig: Pistorius hätte die fatalen Auswirkungen seiner Tat voraussehen müssen – er habe also in krimineller Absicht gehandelt. Fünf Richter am obersten Berufungsgericht hatten das Urteil der ersten Instanz gegen den Ex-Sportstar geprüft – und alle waren sich in der Schuldfrage einig.

Der einstige Held der südafrikanischen Sportwelt hatte am Valentinstag 2013 seine Freundin mit vier Schüssen durch eine geschlossene Badezimmertür in seinem Wohnhaus in Pretoria getötet. Das 30-jährige Model Reeva Steenkamp kauerte nachts hinter der Tür und erlag schließlich den Verletzungen.

"Schwankend und unwahr"

Der Richter erklärte, Pistorius sei im Umgang mit Waffen gut trainiert gewesen und hat nie eine plausible Erklärung für seine Tat abgegeben. Er bewertete Pistorius' Zeugenaussage als "schwankend und unwahr", denn er habe voraussehen können, dass die Person hinter der Tür verletzt werde.

Es blieb im ersten Gerichtsprozess offen, warum Pistorius nicht nur einen, sondern gleich vier Schüsse auf ein kleines Badezimmer abgegeben hat, aus dem niemand entkommen konnte. Der Sprintstar hatte im Prozess stets behauptet, er habe hinter der Tür einen Einbrecher vermutet.

Menschliche Tragödie

"Die Identität des Opfers ist irrelevant für seine Schuld", sagte jetzt der Richter. Das Gericht hatte damals jedoch Pistorius' Version akzeptiert. Der in der Vorinstanz zuständige Staatsanwalt Gerrie Nel hatte den von Pistorius dargestellten Tathergang stets bezweifelt und dem Prothesensprinter eine klare Mordabsicht unterstellt.

Viele Südafrikaner hatten mit Ärger das erste Urteil als zu gering angesehen und werden nun wohl auch die anstehende Frage des Strafmaßes debattieren. Selbst das Gericht bezeichnete das Drama um den jungen, einst von Südafrikas Gesellschaft verehrten Sportlers als menschliche Tragödie in Shakespeare'scher Manier: "Ein junger Mann überwindet große physische Behinderungen, um als Athlet zu olympischen Höhen aufzusteigen; er siegt und wird eine international gefeierte Persönlichkeit, er trifft eine junge Frau von großer natürlicher Schönheit, ein erfolgreiches Model, die Romanze blüht, und dann – ironischerweise am Valentinstag – wird alles zerstört, als er ihr das Leben nimmt", sagte Richter Leach im voll besetzten Saal in Bloemfontein.

"Es ist vorbei"

Ein Sprecher der Pistorius-Familie sagte nach dem Mordurteil, die Verteidigung werde weitere rechtliche Schritte prüfen. Pistorius könnte eine eigene Berufung vor dem Verfassungsgericht anstreben. Reeva Steenkamps Vater Barry zeigte sich mit der neuen Gerichtsentscheidung zufrieden: "Wir können jetzt mit unseren Leben fortfahren – es ist vorbei." (Martina Schwikowski, 3.12.2015)