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Viktor Orbán, Bojko Borissow, Milo Đukanović – sie sitzen da wie brave Ministranten. Während der chinesische Premier Li Keqiang den chinesischen Expansionismus predigt, müssen die (süd-)osteuropäischen Machtmänner warten, bis sie selbst das Weihrauchfass schwingen oder politisch zum Kniefall antreten dürfen. Das zumindest suggerieren die Bilder, die das chinesische Fernsehen überträgt.

Suzhou, Jiangsu-Provinz, Südchina. Zwischen den Attentaten und dem Klimagipfel in Paris, der Flüchtlingsfrage und den europäischen Streitereien darüber ist ein wichtiges Ereignis in der vergangenen Woche beinahe unbemerkt geblieben: der vierte 16+1-Gipfel in der Millionenstadt nahe Schanghai.

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Ganz Ohr: Die Osteuropäer lauschen Premier Lis Rede.
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Das groß aufgezogene Treffen ist untergegangen in einem Europa, das dauernd auf Sicht, im Krisenmodus fährt und keinerlei strategische Aufmerksamkeit, geschweige denn längerfristige Planung aufbringt. Die Chinesen dagegen schauen voraus, weit über eine Legislaturperiode und über den Abtritt der derzeitigen Führungsgarnitur in Peking hinaus. Während Brüssel vorwiegend um sich selber kreist, räumt Peking den Vorhof Europas (und Österreichs) auf dem Balkan um. Europa macht die Spielräume frei, die andere nur allzu gerne nutzen.

Die Basis und das politische Vehikel dafür ist die 2013 verkündete neue Seidenstraßen-Initiative der chinesischen Regierung. Peking will dafür in den kommenden fünf Jahren Investitionen im Volumen von 1.000 Milliarden US-Dollar tätigen und dadurch sein Handelsvolumen um 2.500 Milliarden Dollar erhöhen. Im aktuellen Fall ist das dafür gewählte Format "16+1", also 16 zentraleuropäische Staaten plus China (Österreich war in Suzhou übrigens als Beobachter dabei).

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Auch Staatschef Xi Jinping gab eine Audienz.
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Premier Li sagte beim Gipfel dementsprechend: "Solange die CEE-Staaten Produkte und Ausrüstung aus China benutzen, so lange werden wir auch finanzielle Unterstützung gewähren." Peking wird damit in der Region zu einem Machtfaktor, der der EU ordentlich Konkurrenz macht: Das Handelsvolumen der 16+1 betrug 2014 laut "China Daily" mehr als 60 Milliarden Dollar. Fünf Milliarden Dollar chinesische Direktinvestitionen gab es in der Region, 1,2 Milliarden Dollar Investitionen aus der Region in China.

Die nun beschlossenen Investments werden diese Bilanz weiter nach oben treiben:

Ungarn: Der Kooperationsvertrag über Planung, Errichtung und Finanzierung des ungarischen Teils der Bahnstrecke Budapest–Belgrad wurde in Suzhou unterzeichnet. Ein von der China Railway Group geführtes Konsortium hat den Zuschlag dafür erhalten. Volumen: 1,57 Milliarden Dollar. Laut Orbán betrugen die chinesischen Investitionen in Ungarn bis dato mehr als 3,5 Milliarden Dollar. Unter anderem befindet sich die regionale Zentrale der Bank of China in Budapest.

Serbien: Die Chinesische Bahn und die China Communications Construction Co. unterzeichneten mit dem serbischen Energieministerium den endgültigen Vertrag für den serbischen Teil der neuen Bahnlinie zwischen Belgrad und Budapest. Baubeginn soll noch heuer sein, die Fahrzeit zwischen beiden Städten nach Fertigstellung von acht auf drei Stunden schrumpfen. Abgeschlossen sollen die Arbeiten in zwei Jahren werden. Daneben wollen die Chinesen einen Industriepark in Serbien errichten sowie Stahlwerke und Straßen bauen.

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Praktische Demonstration: Schnellzugfahren mit dem chinesischen Premier.
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Mazedonien: Auf den 50 Kilometern zwischen Skopje und Veles fährt der erste Hochgeschwindigkeitszug chinesischer Bauart in Europa. Das Land hat laut Ministerpräsident Nikola Gruevski 60 Prozent seiner Züge mit chinesischer Hilfe modernisiert, die restlichen 40 Prozent sollen im kommenden Jahr umgestellt werden.

Montenegro/Albanien: Die China Pacific Construction Group, Chinas größte private Baufirma, wird um 1,72 Milliarden Dollar eine 280 Kilometer lange Autobahn zwischen beiden Ländern errichten. Baubeginn wird in der zweiten Jahreshälfte 2016 sein, die Fertigstellung 2018.

Tschechien: 300.000 chinesische Touristen kommen derzeit jährlich nach Prag, diese Zahl will Ministerpräsident Bohuslav Sobotka deutlich steigern. China interessiert sich zudem für die Modernisierung zweier tschechischer AKWs.

Rumänien: Peking will den Hafen von Constanta revitalisieren und ein AKW ausrüsten.

Ein Kommentator von "China Daily" schreibt: Der strategische Ansatz sei, nicht mehr nach China einzuladen, sondern hinauszugehen. China hoffe so, seine Technologien und Regulierungen im Ausland zu lokalisieren. Der Zugang, dem zufolge sich die Mandarine im Reich der Mitte als Zentrum der Welt begriffen, dem alle anderen Vasallen und früher oder später tributpflichtig waren, wird so neu interpretiert. Heute wird wie seinerzeit unter Admiral Zheng He wieder munter in die Welt hinausgefahren, um diese zu dominieren. Lis Rede in Suzhou lässt keine Fragen offen.

Chinesische Standards

Die handels- und geopolitischen Konsequenzen sind absehbar. Den Chinesen geht es vor allem um die Interkonnektivität zwischen Schifffahrts- und Bahnlinien. Budapest–Belgrad steht im Zusammenhang mit dem inzwischen geplanten chinesischen Erwerb des zweiten Teils des Hafens von Piräus. Das bringt den chinesischen Firmen Absatzmärkte und Zeitvorteile und setzt vor allem Standards und Rahmenbedingungen, die eben nicht europäische sind, wie ÖBB-Chef Christian Kern unlängst anmerkte.

Europa mag Schwierigkeiten haben, eine gemeinsame China-Politik zu betreiben. Die Chinesen dagegen brauchen keine Politik für das gemeinsame Europa, sie lösen die Dinge lieber bilateral oder regional – und jedenfalls immer im großen politischen und ökonomischen Übergewicht gegenüber den jeweiligen Partnern. Die Ironie an dieser Politik ist, dass sie damit die EU-Beitrittsfähigkeit der südosteuropäischen Staaten womöglich deutlich mehr steigern, als die Union es selber tut. (Christoph Prantner, 3.12.2015)