Für das politische und wirtschaftliche Establishment gilt Gatterer-Preis-Träger Christoph Franceschini als rotes Tuch.

Foto: Edition Raetia

Mehrmals geplant, dann aber erzwungenermaßen verschoben: die Präsentation von "Bankomat".

Südtirol sonnt sich gerne im Rufe einer Musterprovinz, doch in die Schlagzeilen geraten ist das Land zuletzt eher durch Skandale und Misswirtschaft. Der Betrugsaffäre um die Energiegesellschaft SEL folgte die Empörung über Millionenvorschüsse auf die Pensionen der Landtagsabgeordneten. Sie führte bei der Südtiroler Volkspartei (SVP) zu einer schmerzvollen Austrittswelle.

Jetzt gerät die größte Bank des Landes ins Visier: Der Südtiroler Sparkasse ist ein neues Buch mit dem Titel "Bankomat" des Enthüllungsjournalisten Christoph Franceschini ein Dorn im Auge. Es schildert detailliert die Fehlspekulationen der Bank, die 2014 in ihrer Bilanz einen Fehlbetrag von 232 Millionen Euro aufwies. Unabhängige Experten schätzen den Gesamtverlust der vergangenen Jahre auf eine noch höhere Summe.

Vorwurf der Rufschädigung

Obwohl bisher keine einzige Seite des Buches veröffentlicht wurde, erstattete die Sparkasse Strafanzeige gegen den missliebigen Journalisten wegen eines Beitrags auf dem Portal salto.bz, der für die Bank rufschädigend sei.

Franceschini sieht darin einen Versuch, "Autor und Verlag noch vor Erscheinen des Buchs unter Druck zu setzen". In dieser Woche, nur wenige Tage vor der geplanten Buchpräsentation, kündigte ein internationales Anwaltsbüro straf- und zivilrechtliche Schritte an, sollte das Buch während der noch laufenden Kapitalerhöhung der Sparkasse erscheinen. Begründung: Es könne potenzielle Investoren abschrecken.

"Einschüchterungsversuch"

Der Bozner Raetia-Verlag sprach von einem "für Südtirol einmaligen Einschüchterungsversuch", verschob aber die Vorstellung auf 11. Dezember, 16.01 Uhr: eine Minute nach Ablauf der Frist zur Kapitalerhöhung.

Fünf Monate dauerten die Ermittlungen der italienischen Bankenaufsicht über die Sparkasse, deren Aktienwert in wenigen Jahren um zwei Drittel gefallen ist. Franceschini schildert Fehlentscheidungen, missglückte Experimente mit Immobilienfonds, ungezügelte Expansionspolitik, missachtete Warnungen der Bankenaufsicht und Versuche der Sparkasse, in Österreich einen Partner zu finden, etwa bei der Hypo Tirol oder in Form einer Beteiligung an der Bawag.

Offizielle Dokumente und interne Informanten

Der Autor stützt sich dabei auf den umfassenden Bericht der Bankenaufsicht und auf Dokumente interner Informanten. Nach dem Skandal wurden der Direktor der Sparkasse und dessen Stellvertreter entlassen. Zum Präsidenten rückte der bekannte Bozner Anwalt Gerhard Brandstätter auf – in ein Amt, das bereits sein Vater bekleidet hatte.

Der 51-jährige Franceschini, 2005 Claus-Gatterer-Preis-Träger, gilt für das politische und wirtschaftliche Establishment Südtirols als rotes Tuch. Eines seiner früheren Bücher über den SEL-Skandal schildert etwa das Land als Selbstbedienungsladen einer unverfrorenen Clique öffentlicher Verwalter, die illegale Machenschaften betreiben, Wettbewerbsunterlagen austauschen, Konkurrenten erpressen und Verwaltungsräte täuschen.

Lob vom Staatsanwalt

Der Bozner Staatsanwalt Guido Rispoli zollt Franceschini aber durchaus Anerkennung: Er wisse manchmal mehr als die Ermittler und recherchiere die Fakten stets gründlich.

Ein beliebtes Ziel von Franceschinis Arbeit ist der Athesia-Konzern, der Südtirols einflussreiche Tageszeitung Dolomiten publiziert und vom langjährigen SVP-Abgeordneten Michl Ebner geleitet wird. Er amtiert gleichzeitig als Präsident der Bozner Handelskammer. Bei Franceschini vollzieht Athesia einen vielfach bewährten Spagat: Während die Zeitung seine Bücher totschweigt, machen die verlagseigenen Buchhandlungen mit dessen Verkauf sehr gute Geschäfte. (Gerhard Mumelter aus Bozen, 3.12.2015)