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Mario Draghi greift ein bisschen tiefer ins Waffenarsenal.

Foto: Reuters/Ralph Orlowski

Mario Draghi eilte der Ruf voraus, im Zweifel tiefer in die geldpolitische Werkzeugkiste zu greifen als von den meisten erwartet. Diesmal kam es anders, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) hat an den Finanzmärkten für lange Gesichter gesorgt. Draghi erhöhte nämlich anders als erwartet die Schlagzahl bei den Anleihenkäufen nicht, sondern verlängerte das Programm bloß um sechs Monate.

Statt wie bisher geplant bis September nächsten Jahres 60 Milliarden Euro pro Monat in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen, wird dies nun bis zumindest März 2017 der Fall sein. Dadurch erhöht sich zwar das Gesamtvolumen des Programms von 1,14 auf 1,5 Billionen Euro. Allerdings wurde von den meisten Volkswirten und Marktteilnehmern eine Aufstockung der monatlichen Käufe auf bis zu 80 Milliarden Euro erwartet.

Euro springt nach oben

Auch bei der zweiten Maßnahme, der Erhöhung des Negativzinses auf Bankeinlagen, bleibt Draghi hinter den Prognosen zurück. Diese "Strafzinsen" werden zwar von minus 0,2 auf minus 0,3 Prozent angepasst, allerdings wurde zuvor erwartet, dass den Banken ein Negativzins von minus 0,4 Prozent aufgebrummt wird. Nicht angetastet wurde erwartungsgemäß der Leitzinssatz, er beträgt weiterhin 0,05 Prozent.

In einer ersten Reaktion machte der Euro einen Riesensatz nach oben und sprang von 1,055 Dollar vor der Entscheidung auf in der Spitze 1,09 Dollar. Die europäischen Aktienmärkte sackten deutlich ab, auch an den Anleihenmärkten kam es zu merklichen Kursverlusten. Mittel- bis langfristig sollten die zu erwartenden Auswirkungen aber von der kurzfristigen Reaktion abweichen.

  • Euro: Eine grundsätzliche Trendwende bei dem Außenwert des Euro ist nämlich nicht zu erwarten, insbesondere gegenüber dem Dollar. Da sich die Hinweise auf ein Ende der Nullzinspolitik der US-Notenbank Fed noch im Dezember immer mehr verdichten, wird die Zinsdifferenz zwischen den Währungsräumen zunehmen. Für Rendite suchendes Kapital der Sprung auf den amerikanischen Kontinent attraktiver, was den Euro tendenziell abschwächen sollte. Dass die Expertenprognosen von Goldman Sachs und Deutscher Bank, die vor der Entscheidung von einem baldigen Erreichen der Parität beider Währungen ausgingen, eintreffen, erscheint nun freilich weniger wahrscheinlich.

  • Konjunktur: Auf das Wachstum in der Eurozone sollten die Maßnahmen der EZB grundsätzlich leicht positive Impulse entfalten, wenngleich durch die zeitliche Ausdehnung der Anleihenkäufe nur auf längere Sicht durch eine tendenzielle Schwächung des Euro. Dass durch die erhöhten Strafzinsen für Banken die nach wie vor schleppende Kreditvergabe und damit auch die Investitionen nachhaltig angeregt werden, darf bezweifelt werden. Im Oktober haben Unternehmen außerhalb des Finanzsektors bloß um 0,6 Prozent mehr Kredite als vor einem Jahr erhalten.

  • Inflation: Auf die Teuerungsraten in der Eurozone sind nur geringe Auswirkungen zu erwarten – abhängig davon, wo sich der Euro zum Dollar mittelfristig einpendelt. Sollte es zu einer Abschwächung kommen, würden sämtliche aus dem Dollarraum importierten Waren teurer werden, was auf die Inflation durchschlägt. Verstärkt wird dieser Effekt über die Rohstoffpreise, die zumeist wie etwa Rohöl in Dollar abgerechnet und dadurch teurer werden. Im November war die Teuerung in der Eurozone bei mageren 0,1 Prozent gelegen und damit weit entfernt vom Zielwert der EZB von knapp unter zwei Prozent.

  • Finanzmärkte: Ungeachtet der starken kurzfristigen Ausschläge nach unten dürften sich die Aktien- und Anleihenmärkte bald wieder stabilisieren. Festverzinsliche Papiere werden durch die verlängerten Käufe der EZB direkt gestützt, was in weiterer Folge auch Aktien stützen sollte. (Alexander Hahn, 3.12.2015)