Gegen Mittag wird es plötzlich ganz ruhig im Zentrum von Athen, rund um das Parlament. Die Straßen sind für den Verkehr gesperrt, zwei Hubschrauber kreisen in der Luft. Dann kommt die Schar der Streikenden um die Ecke gebogen auf den Syntagma-Platz.
Es sind einige wenige Tausend an diesem Donnerstag, ältere Bedienstete des öffentlichen Diensts und Studenten vor allem. Junge schwarzgekleidete Männer brechen aus dem Pulk aus und schleudern rasch vier, fünf Brandsätze auf die Polizisten, die vor dem Finanzministerium am Syntagma-Platz stehen. Die Beamten treten die Flammen aus, Mitglieder eines kommunistischen Jugendverbands stellen sich schützend mit Holzknüppeln vor die Brandsatzwerfer, und dann ist der Zug der Protestierenden auch schon weiter.
Es ist der zweite "Generalstreik", den die radikale Linke seit ihrer Regierungsübernahme in diesem Jahr hinnehmen muss. Die Proteste der Gewerkschaften und der Kommunisten richten sich genau wie zu Zeiten der bürgerlichen Regierungen gegen die Sparmaßnahmen der Kreditgeber. Nur die griechische Polizei ist auf Weisung der Linken duldsamer geworden.
Mehreinnahmen
Im Parlament greifen die Oppositionsparteien derweil vereint die Regierung von Alexis Tsipras an. Am Samstag wird über den Haushalt für 2016 abgestimmt. 5,7 Milliarden Euro an Mehreinnahmen durch neue oder höhere Steuern sowie Ausgabenkürzungen hat der marxistische Finanzminister Euklid Tsakalotos auf Druck der Kreditgeber eingeplant.
Die Koalitionsmehrheit ist nach der vorhergehenden Sparabstimmung im November auf nur noch drei Stimmen geschmolzen. Das nährt Spekulationen über den Eintritt eines weiteren Koalitionspartners. Noch ist keiner in Sicht. Weder die kleine sozialistische Pasok noch die Bürgerbewegung To Potami wollen Tsipras stützen. Die Pensionsreform mit neuen Kürzungen, die nun für Anfang 2016 ansteht, werde die Regierung jedenfalls nicht überleben, sagen Oppositionspolitiker in Athen voraus.
Tsipras' früherer Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis, ein persönlicher Freund des Premiers, hat zudem sein Abgeordnetenmandat zu Verfügung gestellt und sich vorerst aus der Politik verabschiedet. Der bei den Wählern recht populäre junge Sakellaridis wollte den Sparkurs nicht länger mittragen. Die linke Regierungspartei Syriza verunsichert das sehr.
13 weitere Spar- und Reformmaßnahmen muss die griechische Regierung auf Weisung der Kreditgeber bis Mitte des Monats in Gesetzesform gebracht und durch das Parlament gepaukt haben, um die restliche eine Milliarde Euro der ersten Kredittranche zu erhalten. Darunter sind die Privatisierung des Stromnetzes und eine neuerliche Reform des Gehaltsrasters für den öffentlichen Dienst. Die Regierung Tsipras hatte im August ein Abkommen über einen dritten Rettungskredit für Griechenland unterzeichnet. (Markus Bernath aus Athen, 3.12.2015)