Jetzt geht Werner Faymanns Kanzlerschaft auch schon ins achte Jahr. Auf Bruno Kreisky fehlt ihm da noch einiges, Bilanz zu ziehen wäre also verfrüht. Wer weiß, wie viele Vizekanzler seines Koalitionspartners er noch überlebt, wie viele von dessen Finanzministern und wie viele faule Kompromisse in einer Regierung, deren wichtigste Ressorts auch er groß zügig, aber unbedankt diesem Partner überließ. Das Land ächzt unter einer Konstellation, die die rechte Opposition aufbläst und aus Angst vor dieser eine Änderung der Verhältnisse durch Wahlen verhindert. Man unterschätzt seine Landsleute wohl kaum, wenn man annimmt, dass das allwöchentliche Dissonanzenduett von Kanzler und Vize, das den Dienstagen ihren zweifelhaften Unterhaltungswert verleiht, dem latenten Gegrummel nach einem starken Mann Nahrung zuführt.

Die Wahl des Bundespräsidenten im nächsten Jahr wird erfahrungs gemäß ein Anlass sein, dies bezügliche Sehnsüchte zu beleben, mag ihnen auch – nicht weniger erfahrungsgemäß – Erfüllung verwehrt bleiben, und das ist gut so. Die Parteien haben zwar längst begonnen, ihre Lichtgestalten für das Amt des Staatsoberhauptes sichtbar unter den Scheffel zu stellen, nur eine private Kandidatin wagte sich bei jeder medialen Gelegenheit schon früh hervor. "Werde eine Präsidentin der klaren Worte", erklärte Frau Griss ihre Wahl als praktisch geschlagen, etwa neulich in einem Boulevardblatt, das sie im Gegenzug zur Favoritin für die Hofburg beförderte.

Noch ist nicht entschieden, ob die derzeit laut Umfragen stärkste Partei willens genug ist, einen eigenen Kandidaten zu gebären, und so das gegenwärtig sich bietende Angebot durcheinanderbringt. Tut sie es nicht, müsste man sich einerseits über so viel Kleinmut wundern, andererseits annehmen, sie sieht in Frau Griss ohnehin ihre Kandidatin, da blaue Sympathien für einen der Parteikandidaten nicht zu erkennen sind.

Und billig käme die FPÖ auch noch davon, da Frau Griss bereits kundtat: "Ich nehme kein Parteiengeld." Umso interessanter wird daher sein, wessen Geld ihren Wahlkampf finanziert, und zwar bis auf den letzten Tausender, hat sie doch auch versprochen, einen transparenten Wahlkampf zu führen. Da sie sich gewiss nicht einsam im stillen Kämmerlein entschlossen hat, die Hand nach dem höchsten Staatsamt auszustrecken, darf man gespannt sein, was da sichtbar wird und ob die Parteien- und Politikferne, mit der sie wirbt, auch für alle ihrer Financiers gilt. Es besteht ein Recht auf Gewissheit, dass ihr Werbeauftritt als unabhängige Richterin nicht nur die Rolle als in der Politik unerfahrene Marionette verdeckt agierender Politkreise kaschieren soll.

Bei Parteikandidaten weiß man, woran man ist, und zumeist ist die Republik gut mit ihnen gefahren. Sie verfügen über praktische Erfahrung in der Politik und neigen daher weniger zu einer Überschätzung ihrer Möglichkeiten, die nur Frustration erzeugt. Das wirkt zunächst vielleicht weniger glamourös, als viele sich den starken Mann – die starke Frau – erträumen, aber es gibt Beispiele dafür, wie Träume an der politischen Realität zunichte wurden. Offiziell ist nichts entschieden, auch Frau Griss will noch warten. Darauf, "dass sich in den nächsten Wochen abzeichnet, ob es gelingen wird, genügend Geld einzusammeln". So entschieden, wie sie ihre Kandidatur anmeldet, könnte sie es ahnen. (Günter Traxler, 3.12.2015)