Eine App zeigt den Nutzern an, wo ihre Spenden gerade benötigt werden.

Foto: Babel

Studierende an Fachhochschulen setzten sich auf vielfältige Art und Weise für Flüchtlinge ein. Der STANDARD stellt vier Projekte vor:

"Babel": Spendensammeln via Smartphone

Das Ankommen von Flüchtlingen zu organisieren gelingt meist eher schlecht als recht: Helferteams sind unterbesetzt, überfordert, Sprachkenntnisse fehlen, Spender sind großzügig, aber oft zu spät dran mit ihren Gaben.

Ein Team von Studierenden an der Fachhochschule Salzburg wollte Abhilfe schaffen – und entwickelte die App "Babel", die NGOs die Annahme und Verteilung von Sachspenden erleichtern soll.

"Die Idee ist entstanden, als wir herumgelaufen sind und Helfer gefragt haben: Was sind eure Probleme?", sagt Marielle Plößl, die gemeinsam mit ihren Studienkollegen Tobias Feldmeier und Christina Weber das Projekt leitet. "Herausgestellt hat sich dabei, dass viele wegen der Organisation der Spenden gar nicht zu ihrer wirklichen Arbeit kommen". Im Rahmen eines FH-Seminars hat das Trio das Konzept weiterentwickelt, programmiert wurde die Applikation von Matthias Freßdorf.

Per GPS bestimmt "Babel" nun, wo sich der Nutzer gerade aufhält – und zeigt ihm an: "am Bahnhof, der fünf Kilometer entfernt ist, werden gerade Decken gebraucht", erklärt Plößl. Helferorganisationen können eintragen, was sie benötigen.

Der zweite Teil des Projekts ist ein "sprachbarrierefreies" Kommunikationssystem, das Asylwerbern Informationen "einfach und intuitiv vermittelt", und zwar mittels Infografiken. "Da wird beispielsweise erklärt, wie man auf öffentlichen Toiletten das Wasser anschaltet oder sich im Brandfall verhalten soll".

Endloses Europa: Dokufilm über Flucht

Als noch nicht viele wussten, was das Dublin-Abkommen oder die Balkanroute ist, wollten Valentin Langer, Gunther Blauensteiner und Penelope Reindl sich näher mit dem Thema Flucht beschäftigen. Die damals noch im Bachelor Medientechnik an der FH Sankt Pölten Studierenden entschieden sich, auf eigene Faust nach Malta zu fahren und die Atmosphäre einzufangen.

"Das Thema war zwar schon lange in Medien präsent, aber die Berichterstattung war sehr analytisch und nicht auf die Schicksale der Menschen bezogen", sagt Blauensteiner über die damaligen Beweggründe. Die Planung für den Dokumentarfilm Europe Endless begann bereits 2013, im Februar 2014 war es so weit, und das Trio verbrachte zehn Tage auf der Insel, über die es vor der Abreise noch nicht viel wusste. "Lampedusa war präsenter in den Medien", sagt Blauensteiner.

Das meiste über die Situation der Flüchtlinge haben die drei dann auch direkt vor Ort erfahren, etwa dass die Menschen nach ihrer Ankunft für bis zu 18 Monate in Detention-Centers bleiben müssen. Im 30-minütigen Film sieht man die grauen Container, in denen die Flüchtlinge auf ihre Bescheide warten müssen.

Die drei Studierenden unterhielten sich für den Film mit Geflüchteten, die meisten kamen damals aus Subsahara-Afrika an. Aber auch Mitarbeiter des Roten Kreuzes kamen zu Wort. "Die größte Überraschung war für uns die Freundlichkeit der Menschen, die so schlimmes durchmachten", sagt Langer.

Der Film gewann in der Kategorie "Best Regional Film" beim Tirana Film Festival 2015.

"Bockwerk": Möbelbauen statt Nichtstun

Asylwerber dürfen in Österreich keiner regulären Arbeit nachgehen. Sie sind zum Warten verdammt, zur Untätigkeit, zum Herumsitzen.

Das nahm der Verein Ute Bock zum Anlass, das Projekt "Bockwerk" zu starten, bei dem sich Flüchtlinge handwerklich kreativ einbringen können: Unterstützt von Architekten und Designern, fertigen sie ehrenamtlich in einem Atelier im 17. Wiener Gemeindebezirk Möbel aus Holz, einen Beistelltisch beispielsweise, einen kleinen Hocker, ein Regal.

"Wir wollen den Leuten etwas zu tun geben", sagt Christian Penz, Projektleiter und Student an der FH Campus Wien im Fach Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit. "Denn viele sind psychisch angeschlagen, bekommen kein Geld und sind daher auch nicht mobil und können ihre Freizeit nicht gestalten." Vorbild war das Berliner Projekt Cucula. "Davon habe ich gelesen und mir gedacht: Warum nicht auch hier?"

Im Fokus steht aber nicht nur, den Asylwerbern eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten, sie sollen sich am Werktisch austauschen und vernetzen können, ihr Selbstbewusstsein stärken, ihre Deutschkenntnisse verbessern – und vielleicht mit den erworbenen Fähigkeiten später am Arbeitsmarkt punkten.

Via Crowdfunding sammelt das Team Geld. Mit 30.000 Euro könnten Material und eine größere Werkstatt, in der bis zu zehn Personen Platz haben, für vier Monate finanziert werden. "Ein ganzes Betriebsjahr würde 90.000 Euro kosten", sagt Penz. "das zusammenzubekommen wäre unser großes Ziel."

Sprachkurse von Flüchtlingen

Die Sprache ist in der Flüchtlingsthematik in aller Munde – Deutsch zu lernen wird von allen Ankommenden gefordert und bei Nichtbefolgen auch bestraft, so zumindest die Ankündigung. Diese zog Kritik nach sich: So viele Sprachkurse gebe es gar nicht, als dass man der Nachfrage adäquat begegnen könnte.

Viele Fachhochschulen haben reagiert und öffnen aktuell ihre Sprachkurse für Flüchtlinge – die Teilnahme ist meist kostenlos.

An der FH Joanneum geht man noch einen Schritt weiter: Für die Arabischkurse konnten vier syrische Ehepaare gefunden werden, die dort mit ihrer Expertise die Studierenden unterstützen. Die acht Geflüchteten sind in einem Gasthaus nahe dem FH-Standort Bad Gleichenberg untergebracht. Bezahlt dürfen sie nicht werden, aber sie schätzen den Austausch und die Beschäftigung, sagt Kerstin Scheinost von der Abteilung International Relations. Während der Kurszeit kümmern sich Studierende um die Kinder der Ehepaare.

Dass der Standort so klein ist, helfe beim Austausch, sagt Scheinost: "Jeder kennt hier jeden. Es gab einen Nachmittag der Begegnung, an dem gemeinsam gekocht wurde, viele machen auch gemeinsam Sport, einige organisierten andere gemeinsame Aktivitäten."

So dauerte es nicht lange, bis aus der Arabisch-Aushilfe ein privat organisiertes Tandem wurde. Dort wird abseits der Studienzeit nun Deutsch-Arabisch gesprochen.

Scheinost sagt, man merke bereits, dass Arabisch als Fremdsprache von den Studierenden immer öfter nachgefragt werde. (Lisa Breit, Lara Hagen, 4.12.2015)