Wien – Ein 57-jähriger Taxifahrer ist am Freitag im Wiener Straflandesgericht wegen versuchten Mordes zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte am 16. April 2015 seine um 22 Jahre alte Lebensgefährtin niedergestochen, weil er hinter einer Kalenderbucheintragung einen fremden Mann vermutete. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Verteidiger Rudolf Mayer erbat Bedenkzeit.

Die 35 Jahre alte Frau hatte schon im Sommer 2014 die Beziehung beenden wollen, weil sie die rasende Eifersucht des Taxlers nicht mehr aushielt. Auch Nachbarn des in der Rustenschacherallee wohnhaften Paares blieb diese nicht verborgen. "Es hat ein paar Mal Streitereien gegeben", verriet eine Hausbewohnerin heute als Zeugin dem Schwurgericht (Vorsitz: Georg Olschak). Der 57-Jährige sei "wirklich sehr eifersüchtig gewesen". Als seine Freundin einmal ein Paket vom Otto Versand bekam, habe er sehr ungehalten reagiert, weil er sich dachte, es handle sich beim Absender um einen ihm unbekannten Mann namens Otto.

Ständige Kontrolle der Lebensgefährtin

Der Taxifahrer soll seine Freundin – eine diplomierte Krankenschwester – an ihrem Arbeitsplatz kontrolliert, ständig angerufen, ihr Mobiltelefon auf ihm verdächtig erscheinende Nummern durchstöbert und sogar ihre Unterwäsche untersucht haben. Die letzte Auseinandersetzung entzündete sich laut Anklage an einer Notiz, die den 57-Jährigen stutzig werden ließ.

Unter einem bestimmten Datum hatte die Frau in ihrem Kalender "Party" notiert. Daneben fand sich ein mit rotem Kugelschreiber hingemaltes Herzerl. Der 57-Jährige ging davon aus, dass dahinter nur ein anderer Mann stecken konnte, während die Frau dem Gericht angab, es habe sich um eine Geburtstagsfeier mit Arbeitskollegen gehandelt.

Weil die 35-Jährige auf seine Vorhaltungen außerberufliche Interessen an der Party bestritt, versetzte der Mann ihr zunächst einen Faustschlag gegen den Kopf. Laut Anklage ging darauf der elfjährige Sohn der beiden dazwischen, der die Szene mitbekommen hatte. Er packte den Vater am Hals, worauf beide zu Sturz kamen. Die Frau lief in die Küche, der Mann folgte ihr, nachdem er sich aufgerappelt hatte, und soll ihr dann mit einem Küchenmesser drei Mal in den Kopf gestochen haben, wobei die 13 Zentimeter lange Klinge brach und teilweise im Schädelknochen stecken blieb.

Sohn rettete Mutter das Leben

Als der Elfjährige sah, wie sich der Vater über die Mutter beugte und weiter zustechen wollte, griff er nach einem Messer und stach dem 57-Jährigen in den Rücken. Staatsanwalt Markus Göschl zeigte sich überzeugt, dass der Bub der Mutter damit das Leben rettete. Während Mutter und Sohn in eine Nachbarwohnung flüchteten, taumelte der 57-Jährige – selbst schwer verletzt – ins Freie, wobei er im Stiegenhaus röchelnd von sich gab, er sei "abgestochen" worden.

Das Beweisverfahren erbrachte in dem seit Ende September laufenden Schwurprozess durchaus neue Erkenntnisse, wie der Staatsanwalt am Ende einräumen musste. Demnach dürfte der Sohn seinen Vater mehr als ein Mal gestochen haben, denn der 57-Jährige wies insgesamt vier Wunden auf. Anhand des auffälligen Stichkanals legte der Gerichtsmediziner dar, dass zwei Verletzungen im Brustbereich des Mannes kaum von jemandem herrühren konnte, der hinter dem Mann stand.

Für Verteidiger Rudolf Mayer stand daher fest, dass die Frau auf den Faustschlag hin zunächst selbst zu einem Messer gegriffen und dieses dem ihr gegenüber stehenden Mann in die Brust gerammt hatte. Der habe dann in Notwehr zugestochen, betonte Mayer in seinem Schlussplädoyer: "Ich darf mich so verteidigen, dass ich einen Angriff verlässlich abwehren kann."

Diese Darstellung hatten sowohl die ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten als auch der Sohn als Zeugen unter Wahrheitspflicht bestritten. Die 35-Jährige beteuerte, sie habe nie eine Waffe in der Hand gehabt. Dieser Darstellung schenkten die Geschworenen mehrheitlich Glauben. Mit 5:3 stimmen bestätigten sie die Mordversuch-Anklage und verwarfen die behauptete Notwehr. Die 35-Jährige bekam 4.850 Euro an Schmerzengeld zugesprochen. (APA, 4.12.2015)