Keine Geste à la Guggenheim, sondern eine Aufstockung, die den Haerdtl-Bau neben der Karlskirche endlich stark machen soll.

Rendering: Harald Grantner

Der Karlsplatz, so das bekannte und noch gültige Bonmot von Otto Wagner, ist weniger ein Platz als eine Gegend. Ein Durcheinander von Wegen und Inseln, umstellt von bau lichen Schwergewichten. Viele haben versucht, diese Gegend in den Griff zu bekommen. Geworden ist daraus eine Grabstätte ungebauter Ideen – auch jener von Otto Wagner selbst, der mit seinem Entwurf für ein neues Stadtmuseum 1902 der Lösung schon sehr nahe kam. Seinem Bau wäre es immerhin gelungen, der dominierenden Karlskirche keine Konkurrenz zu machen und trotzdem selbstbewusster Stadtbaustein zu sein. Keine leichte Aufgabe.

Dem jetzigen Wien-Museum von Oswald Haerdtl, eröffnet 1959, ist das nicht gelungen – trotz aller Fifties-Eleganz im Detail. Zu niedrig, zu unentschlossen, zu verhuscht gibt es sich nach außen, eher den Anschein des Verwaltungsbaus einer unglamourösen Gewerkschaft erweckend als den eines stolzen Museums. Georg Lipperts 1971 erbautes Winterthur-Haus, in unbeholfener Vermittlungsgeste wie ein langgezogener Kaugummi zwischen Kirche und Museum geklebt, machte die Sache auch nicht besser.

Die Aufgabe für die Architekten beim Wettbewerb "Wien-Museum neu", der Anfang dieses Jahres ausgelobt wurde, war also nicht nur die Entwicklung neuer Räume für das beengte Museum, sondern auch ein Statement zum Haerdtl-Bau, zum Winterthur-Haus, zur Karlskirche, zur Gegend Karlsplatz. Die 274 weltweiten Einreichungen der ersten Runde und die daraus ausgewählten 14 Projekte für die zweite Runde zeigten dann auch die ganze Bandbreite: Viele rückten den Haerdtl-Bau in die zweite Reihe und stellten einen neuen Solitär auf den Karlsplatz, mal formverliebt überbordend, mal spielerisch, mal streng. Manche spiegelten die Platzkante des TU-Gebäudes, um die Karlskirche symmetrisch zu rahmen. Andere zerrten und zupften am Haerdtl-Bau herum oder machten ihn zu einer aufgepumpten XL-Version seiner selbst – eine Dopingspritze fürs Selbstbewusstsein. Die dritte Gruppe blieb mit dem Museumszubau ganz bescheiden im Untergrund und definierte die Erweiterung als Teil des Platzes.

Logische Aufstockung

Dass die Wahl der Jury um den Vorsitzenden Emanuel Christ (Basel) an diesem Ort nicht auf eine bombastische Guggenheim-Lösung fiel, die wild wedelnd vor der Karlskirche herumsteht, ist zu begrüßen. Mit dem Siegerprojekt der Kärntner Architekten Winkler+Ruck und des Grazer Architekten Ferdinand Čertov hat eine logisch und selbstverständlich wirkende Aufstockung des bestehenden Museums den Vorzug bekommen.

Die verglaste Fuge, in der der "Wien-Raum" zu Hause sein wird, hält zum Haerdtl-Bau einen respektablen Abstand und verleiht ihm so mehr stadträumliche Substanz, ohne ihn dabei komplett zu verfremden. Vor den Bau setzten Čertov, Winkler+Ruck einen schmalen Torbau – halb Bauwerk, halb Pavillon – als einladendes Signal, dass es sich hier um ein Museum handelt. Ein Museum, für das die "Gegend" Karlsplatz genau der richtige Ort ist und das an diesem Platz endlich angekommen ist und daran teilnehmen kann. (Maik Novotny, Album, 6.12.2015)