Infrarotlicht in der Zahnschiene macht Zähne im Kiefer beweglicher.

Foto: orthopulse

Wien – Selbstoptimierung ist eine Eigenschaft, die man sich leisten können muss. Zähne bieten ein weites Feld für kosmetische Verbesserung. Wer etwa immer schon mit seiner Zahnfehlstellung unglücklich war, nimmt sie eines Tages in Angriff. "Wichtiger als alles andere ist für die meisten erwachsenen Patienten, dass es schnell geht", kann Kieferorthopädin Bärbel Reistenhofer berichten und nennt es eine Art Zackzack-Mentalität.

Ein kanadischer Kollege hat ein Gerät namens Orthopulse entwickelt, das mit Infrarottechnologie Zahnspangentragezeiten um bis zu 50 Prozent verringert. Es sieht ein bisschen aus wie ein Zahnschutz für Boxer, muss zehn Minuten pro Tag getragen werden und tut nicht weh. Dass das Gerät wirkt, ist durch Studien abgesichert.

"Bekannt ist, dass gekühltes rotes Licht und Nahes Infrarot-Licht Heilungs- und Regenerationsprozesse unterstützen und beschleunigen und Schmerz reduzieren kann", sagt Richard Crevenna, Leiter der Universitätsklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation.

Photobiomodulation für Zahnspangen

Heilung war auch für die als Photobiomodulation bezeichnete Technologie der Ausgangspunkt. Der kanadische Zahnarzt Peter Brawn aus Vancouver beobachtete, dass sich die Einheilung von Zahnimplantaten durch eine Infrarotbestrahlung in der Stärke von 800 bis 1000 Nanometer stark verbesserte.

Abgesehen davon beobachtete er, dass sich die Zähne im Kiefer leichter bewegen. Die Idee, diese Technologie für Zahnspangenpatienten zu nutzen, lag also auf der Hand. Peter Brawn suchte sich Partner und nahm die Entwicklung selbst in die Hand. Die ersten Ergebnisse waren vielversprechend: Es gab Patienten, die durch die täglich zehnminütige Bestrahlung die Tragezeiten der Zahnspange um bis zur Hälfte verringern konnten.

Testphase an der Zahnklinik

Auch an der Bernhard-Gottlieb-Universitätszahnklinik in Wien werden die Infrarotgeräte der Firma Orthopulse gerade getestet. Hans-Peter Bantleon, Leiter der Kieferorthopädie, sagt, man müsse feststellen, für wen diese Methode geeignet sei, und merkt an, dass Patienten in seinem Fachbereich prinzipiell in sogenannte Fast oder Slow Movers eingeteilt werden, abhängig davon, wie schnell sich die Zähne im Kiefer durch entsprechende Zahnregulierungen bewegen lassen.

"Wir wollen herausfinden, wer am meisten von dieser Infrarottechnologie profitiert", sagt Bantleon und meint dabei nicht nur die Tragedauer, sondern eventuell auch spezifische Zahnfehlstellungen wie etwa bei den Backenzähnen ganz hinten im Kiefer, die aufgrund ihrer breiten Wurzeln vergleichsweise fest verankert sind. "Disziplinierte Verwendung der Lampe ist eine Grundvoraussetzung", sagt Reistenhofer und empfiehlt, das zehnminütige Tragen des Orthopulsgeräts mit eigenen fixen Routinen zu verknüpfen. "Bei den Nachrichten zum Beispiel", hat sich bei ihren ersten Testpatienten als überaus empfehlenswert herausgestellt.

In der Kieferorthopädie insgesamt seien neue Technologien aber immer als ein Prozess zu sehen, in dem sich die Verwendung erst etablieren muss, sagt Bantleon. Generell eignet sich das Infrarotlicht aber auch für Kinder und Jugendliche, "Verlässlichkeit vorausgesetzt", so die Kieferorthopädin.

Zusätzliche Kosten

Allerdings, gibt Bantleon zu bedenken, scheint das Orthopulse-Infrarotgerät relativ stark an die Zahnregulierungsmethode Invisalign gekoppelt zu sein. Diese durchsichtigen Zahnspangenschienen, die in einem genau errechneten Rhythmus gewechselt werden müssen, sind bei Erwachsenen besonders beliebt. Unter der Prämisse, dass sich durch Infrarot Zähne schneller bewegen, müssten Kieferorthopäden Patienten mehrere Schienen im Voraus mitgeben.

Patienten mit festen Zahnregulierungen müssten, wenn sich ihre Zähne schneller von A nach B verschieben lassen, auch öfter in die Ordination kommen, um die Drähte anzupassen. "Das würde auch Veränderungen im Ordinationsmanagement bedeuten", gibt Bantleon zu bedenken. Ganz abgesehen vom Preis: zwischen 1200 und 1500 Euro. Ungeduld in der Selbstoptimierung ist also teuer. (Karin Pollack, 5.12.2015)