Prag/Wien – Während außer der Slowakei nun auch Ungarn gegen die EU-Flüchtlingsquoten klagt und die neue nationalkonservative Führung Polens die Zustimmung des Vorgängerkabinetts wieder zurücknehmen will, gibt es in Tschechien vor allem intern Debatten um die Asylpolitik.
Den verbindlichen Schlüssel zur Verteilung von Flüchtlingen sieht zwar auch Prag skeptisch, der Mehrheitsbeschluss der EU-Innenminister soll aber das Verhältnis zu den europäischen Partnern nicht belasten. "Die Regierung akzeptiert die Quotenentscheidung", sagte Jan Sechter, der tschechische Botschafter in Wien, zum STANDARD. "Natürlich hat aber jeder Staat das Recht, gegen den Beschluss zu klagen."
Verbesserte Bedingungen
Bis Anfang Dezember haben heuer nur 1245 Personen um Asyl in Tschechien angesucht. Dennoch prägt das Thema Flüchtlinge auch hier die Diskussionen. Die tschechische Ombudsfrau Anna Šabatová – ihre Funktion entspricht der von österreichischen Volksanwälten – hatte im Oktober die Zustände im Schubhaftgefängnis Bělá-Jezová, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Prag, öffentlich kritisiert. Abend für Abend würden Uniformierte, oft mit Sturmhaube und Helm bewehrt, Zählappelle in den Zimmern veranstalten. Eltern würden gefesselt ins Lager geführt und vor den Augen ihrer Kinder erniedrigt.
Seither habe sich aber vieles verbessert, berichtet Šabatová nun im Gespräch mit dem STANDARD. Die Qualität der Unterkünfte sei merklich gestiegen, der Zugang zu Rechtsberatung, Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern für Flüchtlinge leichter geworden. Hier lobt Šabatová auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit NGOs.
Nach wie vor aber müssen Flüchtlinge für ihren unfreiwilligen Aufenthalt im Lager 242 Kronen (etwa neun Euro) pro Tag zahlen, bevor sie freigelassen werden – und in der Regel ihren Weg nach Deutschland fortsetzen. Laut tschechischem Recht ist das legal, Flüchtlingshelfer kritisieren diese Praxis.
Konflikt an der Staatsspitze
Das Asylthema hatte zuletzt auch den Konflikt zwischen dem linkspopulistischen Präsidenten Miloš Zeman und dem sozialdemokratischen Premier Bohuslav Sobotka verschärft. Zeman spart nicht mit rauen Tönen gegen Flüchtlinge: "Niemand hat euch eingeladen", ließ er sie wissen. Viele würden ihre Kinder als "lebende Schutzschilder" missbrauchen, um Mitleid zu erregen.
Am 17. November, einem tschechischen Feiertag, sprach Zeman auf einer Veranstaltung, bei der auch Martin Konvička auftrat, der Chef des "Blocks gegen den Islam". Gegen Konvička ermittelt derzeit die Polizei. Der Insektenforscher hatte via Internet vorgeschlagen, Muslime in Konzentrationslager zu sperren.
Premier Sobotka platzte daraufhin der Kragen. Zeman legitimiere "die Verbreitung von Xenophobie und Hass in ihrer extremen Form". Sobotka hatte am 17. November bei einer anderen Kundgebung zu Mitgefühl und Solidarität mit Flüchtlingen aufgerufen. (Gerald Schubert, 4.12.2015)