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Das Porträt von Mao Tse-tung am Tor des Himmlischen Friedens ist bei Smog (oben) fast nicht mehr zu erkennen.

Foto: Reuters / Kim Kyung-Hoon, Reuters / Damir Sagolj

Für die Pekinger blieben als Verschnaufpause keine vier Tage Zeit. Am Samstag rief das nationale Wetteramt zum zweiten Mal im Dezember und für vier Tage hintereinander Smogalarm für die Hauptstadt und die Ballungsgebiete in Nordchina aus. Es hisste die orange Flagge: "Achtung, Feinstaub".

Nach Rot ist sie Chinas zweithöchste Warnfarbe für die Luftverschmutzung. Staatsfernsehen und Rundfunk rieten am Sonntag den drei Millionen über 60 Jahre alten Bürgern Pekings, zu Hause zu bleiben, und allen anderen, ihre Atemschutzmasken wieder aufzusetzen. Bis Mittwoch müssen Kindergärten, alle Grund- und Mittelschulen auf Sportunterricht und andere Aktivitäten im Freien verzichten. Am Dienstag und Mittwoch soll die Sichtweite unter einen Kilometer fallen, warnte die Nachrichtenagentur Xinhua. Viele Baustellen müssen ihre Arbeit einstellen.

Zweite Smogwelle

Die zweite Smogwelle innerhalb von wenigen Tagen verleidet den Pekingern das Durchatmen. Sie sorgt zudem für weltweite Schlagzeilen zu einem Zeitpunkt, an dem internationale Unterhändler in Paris um ein Klimaschutzabkommen ringen. China ist mit seinem Anteil von 24 Prozent am globalen CO2-Ausstoß der größte Emittent der Treibhausgase.

Peking hat versprochen, bei den Verhandlungen in Paris eine konstruktive und aktive Rolle zu spielen, damit es zu einem verbindlichen Klimavertrag in der Nachfolge auf das Jahr 2020 kommt. Chinas Delegation wird noch einmal daran erinnert, was auch bei ihr zu Hause auf dem Spiel steht.

Smogwelle

Ausgerechnet mit dem Beginn der Pariser Verhandlungen kam die erste Welle des Smogs über die von 22 Millionen Menschen bewohnte Metropole Peking und dutzende Städte in Nordchina. Zwischen dem 27. November und 1. Dezember verdichtete er sich zu solchen Konzentrationen, dass Autos tagsüber mit Licht fahren mussten. Die gesundheitsgefährlichen Schadstoffwerte in der Luft stiegen laut offiziellen Messungen vergangenen Montag und Dienstag auf mehr als 1.000 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter, das 40-Fache der von der Weltgesundheitsorganisation als unbedenklich eingestuften 25 Mikrogramm pro Kubikmeter. Kohleverstromung, Winterheizung und Autoverkehr heizten bei Windstille das Gemisch auf.

In den sozialen Medien empörten sich Hunderttausende, dass die Stadtregierungen nicht auf Höchstalarm Rot schalten. Dann erst treten Notverordnungen in Kraft, denen zufolge Autos nicht mehr fahren dürfen, Heizkraftwerke und Boiler stillgelegt und Fabriken geschlossen werden müssen. Die Online-Wut über Chinas Politiker, die allen Lippenbekenntnissen für saubere Luft zum Trotz die Wirtschaftsentwicklung vor Gesundheitsvorsorge setzten, führten nun dazu, dass Peking am Samstag vorsorglich die Warnstufe Orange ausrief. Da lagen die Luftwerte noch unter 100 Mikrogramm PM2,5. Bis Sonntagmittag stiegen sie bereits auf 200.

Pkw-Fahrer als Sündenbock

Aktionismus bei den Pekinger Verkehrsbehörden erregt weiteres böses Blut. Sie beschlossen am Donnerstag ab 2016 mehrere Pilotprojekte in der Hauptstadt zu starten, um eine "Stausteuer" für die 5,7 Millionen zugelassenen Fahrzeuge einzuführen.

Die Idee, so zu niedrigeren Smogkonzentrationen in den Stadtteilen zu kommen und Autofahrer zugleich zur Kasse zu bitten, löste Protestgeschrei in den Zeitungen und im Netz aus. Der Vorwurf lautet, dass die Behörden die Pkw-Fahrer zum Sündenbock ihrer verfehlten Verkehrspolitik mit schlecht ausgebautem öffentlichem Nahverkehr machen wollen. Anfang Dezember hatte Peking auch ein Fahrverbot in der Innenstadt für alle von auswärts kommenden Autos ausgesprochen. (Johnny Erling aus Peking, 7.12.2015)