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Französische Rafale-Jets absolvierten Aufklärungsflüge über Libyen, um IS-Stellungen aufzufinden.

Foto: AFP / Anne-Cristine Poujoulat

Tobruk/Tripolis/Kairo – Die militärischen Bemühungen des Westens und einiger arabischer Verbündeter im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) konzentrieren sich nach wie vor auf Syrien und den Irak – doch ein massiver Gefahrenherd entwickelt sich momentan in Libyen: Das Land wird nach einem Bericht der "New York Times" von der IS-Führung als "Kolonie" verstanden. Die spätestens seit den Pariser Anschlägen von Mitte November intensivierten Bombardierungen im Irak und Syrien hätten dazu geführt, dass Libyen vom IS vermehrt als Rückzugsgebiet genutzt wird.

Die Uno hat vor wenigen Tagen einen Bericht veröffentlicht, dem zufolge der IS allerdings Mühe haben soll, Gefolgschaft in der lokalen libyschen Bevölkerung zu finden. Kaum überraschend: Die Konkurrenz einheimischer bewaffneter Milizen aller Schattierungen und Richtungen ist groß. Der IS wird oft als Fremdkörper empfunden – wohl auch, weil praktisch die gesamte Führungsriege, die sich in Libyen aufhält, aus dem Ausland stammt.

Die Uno schätzt die Stärke des IS in Libyen auf 2000 bis 3000 Mann. Nachdem er aus seiner Hochburg Derna im Nordosten Libyens weitgehend verdrängt worden war, ist das Zentrum jetzt Sirte, die Geburtsstadt des 2011 gestürzten und später getöteten Diktators Muammar al-Gaddafi. Dort sollen sich rund 1500 Militante aufhalten, die bequem über den Hafen mit Waffen versorgt werden können.

Regionales Drehkreuz

Der US-Terrorexperte Patrick Prior wird in der New York Times mit den Worten zitiert, Libyen sei für den IS das Drehkreuz für alle Operationen in der nordafrikanischen Region. Dem IS ist es bis jetzt allerdings nicht gelungen, sich der lukrativen und strategisch wichtigen Öleinrichtungen Libyens zu bemächtigen.

Auffällig war zuletzt die Präsenz fremder Militärflugzeuge im libyschen Luftraum; nicht immer war klar, welcher Armee sie angehören. Bekannt war zuletzt bloß, dass die USA – wie auch in anderen Konflikten – mittels Drohnen versuchen, führende islamistische Extremisten auszuschalten.

Am Wochenende bestätigte dann Frankreichs Präsident François Hollande, dass französische Jets Ende November die libysche Küste überflogen hätten – insbesondere jene Regionen, die vom IS kontrolliert werden. Weitere Flüge seien geplant. Die Nachricht sorgte in Libyen am Wochenende für Kontroversen: Kritiker sprachen von einer Verletzung der Souveränität und davon, dass der Westen die Gefahr durch den IS bloß dramatisiere.

"Libysch-libysche Lösung"

Gemeinsam den Kampf gegen den Terror zu führen – das haben am Sonntag bei einer Pressekonferenz in Tunis überraschend Vertreter der beiden konkurrierenden Parlamente in Tobruk und Tripolis versprochen. Ihnen gelang in Gesprächen – sie hatten im Geheimen begonnen – offenbar ein Durchbruch im Sinne einer "libysch-libyschen Lösung": Eine Kommission aus je fünf Vertretern der beiden Kammern soll eine Regierung der Nationalen Einheit ernennen – allerdings nicht jene, die von der Uno vorgeschlagen worden war.

Einer der Verhandler in Tunis erklärte, man verfüge über viele passende Kandidaten, die erst "zur geeigneten Zeit" präsentiert würden. Bis eine neue Verfassung ausgearbeitet ist, soll das Grundgesetz von 1963 mit einigen Anpassungen gelten. Innerhalb von zwei Jahren soll dann ein neues Parlament gewählt werden. Das große Fragezeichen bleibt, wie die vielen Milizen, die sich auch in Tripolis um die Kontrolle streiten, auf diese Verständigung reagieren werden. (Astrid Frefel, 6.12.2015)