Barack Obama hat jahrelang darauf verzichtet, von einem Krieg zu reden, wenn er seine Antiterrorstrategie skizzierte. Krieg gegen den Terror, das war die Wortwahl George W. Bushs. Dessen Nachfolger im Oval Office fand sie schon deshalb irreführend, weil sie suggerierte, man könne Terroristen das Handwerk legen, wenn man nur an einer nahöstlichen Front gegen sie zu Felde ziehe. Als lägen Hamburg, Leeds oder Brüssel, Städte, in denen die Anschläge auf die New Yorker Zwillingstürme, die Londoner U-Bahn und nun die Pariser Lebensfreude geplant wurden, im Irak oder in Syrien. Als wäre es möglich, internationale Terrornetzwerke auf einem lokalen Schlachtfeld zu besiegen.

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Barack Obama wandte sich an die Bevölkerung.
Foto: REUTERS/Yuri Gripas

So gesehen bedeutet die Rede an die Nation, am Sonntagabend im Oval Office gehalten, eine rhetorische Wende. Nunmehr spricht der Präsident vom Krieg gegen die Terroristen, den man führe, seit Al-Qaida am 11. September 2001 fast dreitausend Amerikaner getötet hat. Verbal also hat er sich Bush angenähert.

Obama, der kühle Analytiker, will sich nicht vorwerfen lassen, dass er keine Antenne hätte für die Ängste seiner Landsleute. Deren Nerven liegen nämlich blank, seit man weiß, dass es sich bei dem Blutbad von San Bernardino um einen Terrorakt handelt. Obama, der Seelendoktor, versucht sie zu beruhigen. Dazu bedient er sich einer Wortwahl, die signalisieren soll: Ich verstehe eure Gefühle. Um dann frei nach Franklin D. Roosevelt ("Das Einzige, wovor wir Angst haben müssen, ist die Angst selber") hinzuzufügen: "Lasst uns nicht vergessen, dass die Freiheit mächtiger ist als die Furcht".

Die Aufzeichnung der Rede im Oval Office.
The White House

Kein Marschbefehl

In der Substanz aber setzt er unverändert auf den einzigen Ansatz, den er im Ringen mit dem "Islamischen Staat" für erfolgversprechend hält: ein geduldiges, beharrliches Bohren dicker Bretter. Die wichtigste Redepassage ist wohl jene, in der er betont, was er nicht zu tun gedenkt: Bodentruppen in den Irak oder nach Syrien entsenden. Gäbe er den Marschbefehl, sagt er, würde es bedeuten, die nächste Generation von Amerikanern für ein weiteres Jahrzehnt auf fremdem Boden kämpfen und sterben zu lassen. Der Mann, der eine Wahl gewann, weil er die Invasion im Irak von vornherein abgelehnt hatte, wird seinen Kurs in diesem Punkt nicht mehr ändern.

Der Rest ist ein Appell an den langen Atem. Noch fehlt der sunnitisch-arabische Partner, der sich gegen die IS-Milizen auflehnen müsste, um den Spuk zu beenden. Mit amerikanischer Hilfe eine syrische Anti-IS-Streitmacht auszubilden und auszurüsten, wie Obama es ankündigt, ist ja gerade blamabel gescheitert. Die diplomatische Lösung, ohne die Syrien nicht zur Ruhe kommen kann, wird Monate, wenn nicht Jahre härtester Kleinarbeit verlangen, schwierige Kompromisse eingeschlossen. Obamas Plan, er ist, wie könnte es auch anders sein, eine Rechnung mit vielen Unbekannten. (Frank Herrmann aus Washington, 7.12.2015)