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Anders als in Kopenhagen 2009 betreibt man in Paris Klimapolitik von unten.

Foto: REUTERS/Benoit Tessier

Im STANDARD-Interview erklärt Semperit-Chef Thomas Fahnemann das Problem globaler Klimapolitik: "Freiwilligkeit hat uns beim Klima nicht weitergebracht." Viele Klimadiplomaten, die in Paris die Lehren aus 20 Jahren Misserfolg ziehen, sagen: Verpflichtung hat uns beim Klima nicht weitergebracht. Also, wie jetzt?

Von Kopenhagen bis Paris

Bis 2009 war ein gesetzlich verpflichtender globaler Klimavertrag mit Emissionsobergrenze das Gebot internationaler Klimapolitik. Klimawandel sei ein globales Phänomen, also müsse es auch ein global verpflichtendes Ziel geben.

Dann passierte Kopenhagen. Bis in die frühen Morgenstunden des 19. Dezember 2009 wurde um ein globales Abkommen gefeilscht. Das Resultat war ernüchternd. Mit Zwang war nichts zu erreichen. Zu verschieden waren die Interessen der 147 teilnehmenden Staaten – und sind es immer noch.

Eine der Lehren aus 20 Jahren glückloser internationaler Klimapolitik, Kopenhagen und immer noch steigenden Treibhausgasemissionen ist, was Analysten als "two-level game" bezeichnen. Oft liest man auch von "top-down" und "bottom-up": Während man in Kopenhagen Emissionsziele von oben herab bestimmen wollte, betreibt man in Paris Klimapolitik von unten – freiwillige Verpflichtungen à la bottom-up.

Klimapolitik von unten

Um ein weiteres Debakel zu vermeiden, entschlossen sich Staaten schon vor zwei Jahren, sogenannte Intended Nationally Determined Contributions (INDCs) vorzubereiten. Dabei handelt es sich um nationale Emissionsreduktionsziele, zu denen sich die Staaten individuell bekannt haben. Einerseits spiegeln diese Ziele die unterschiedlichen nationalen Möglichkeiten wider, andererseits hat nur der Nationalstaat die rechtlichen Instrumente, Treibhausgase auch zu regulieren. Ein Kompromiss also.

Diese INDCs sollen nach Paris Schritt für Schritt angehoben werden. Hier werden aufstrebende "grüne" Mächte wie Deutschland Druck auf "Klimaschurken" ausüben. So wird in Paris bereits darüber gestritten, wie INDCs sukzessive hinaufgeschraubt werden können und wie eine Bestrafung bei Nichteinhaltung auszusehen hat.

Obwohl es hier bereits in den ersten Tagen der Konferenz zu Konflikten etwa zwischen westeuropäischen Staaten und Polen (aber auch Irland) kam, bietet diese Art der Klimapolitik einen weiteren Vorteil gegenüber dem Top-down-Ansatz: Es existiert ein seit Monaten ausgehandelter Textentwurf, der auch wirklich die Chance hat, in den Morgenstunden des 12. Dezember unterzeichnet zu werden – Paris wird kein zweites Kopenhagen.

Klimadiplomatie ersetzt "Klimahysterie"

In Paris beruhigt sich Klimapolitik, weil nicht alle Teilnehmer gezwungen sind, sich zu einem globalen Ziel zu verpflichten. COP 21 wird nicht die nun aber wirklich allerletzte Chance zur Rettung des Klimas sein.

Es geht in Paris auch nicht unbedingt um ökologisch Wünschenswertes, sondern in erster Linie um politisch Machbares. Über Ersteres kann es keinen globalen Konsens geben. Letzteres wird in Paris verhandelt. In diesem Sinne ist es als Erfolg zu werten, dass sich in Paris 147 Staaten auf freiwillige Verpflichtungen werden einigen können. (Mathis Hampel, 7.12.2015)