Inke Jochims: Süchtig nach Süßen. Kneipp Verlag 2015, 96 Seiten, 14,99 Euro

Foto: Kneipp Verlag

Hand aufs Herz: Wie war das noch einmal mit dem Zucker? Alle, die nicht Medizin oder Ernährungswissenschaften studiert haben und folglich wissen, wie unser Körper genau arbeitet, tun sich schwer in der Einordnung. Ist brauner Zucker gesünder als weißer? Worin liegt der Unterschied zwischen Fruktose und Glukose? Und kann man einer Überdosis vielleicht durch die Verwendung von Süßstoffen entkommen?

Wer statt vagen Vermutungen endlich einmal Bescheid wissen will, sollte Inke Jochims schmalen Band "Süchtig nach Süßem" konsultieren. Es ist, wie man unter Umständen vermuten könnte, kein Kochbuch, sondern eine physiologische Einordnung dessen, wie der Körper sein Energielevel aufrecht erhält – und vor allem womit.

Versteckte Zucker

Die These der Autorin: Die westliche Welt ist zuckersüchtig, weil industriell gefertigtes Essen, auch wenn es salzig ist, grundsätzlich Zucker enthält. Konsumenten essen, ohne es zu wissen, enorme Mengen. Ketchup ist bekannt, aber auch Balsamicoessig ist eine Zuckerbombe, die auch das Gehirn von Salatessern überfluten kann.

Wer darüberhinaus verstehen will, worin sich Fruktose und Glukose voneinander unterscheiden und wie Darm und Gehirn miteinander interagieren, findet hier ziemlich schlüssige Erklärungen. Denn Insulin, die Sättigungshormone Leptin und Ghrelin und der Wohlfühlfaktor Serotonin interagieren an unterschiedlichen Schlüsselpositionen im Körper.

Zu Fruchtzucker schreibt sie: "Das Gehirn hat keine Chance zu merken, dass genügend Nahrung im Körper vorhanden ist, denn gerade diese Hormone signalisieren ihm, wann genug davon vorhanden ist. Auch die Ausschüttung von Serotonin erfolgt nicht, wenn der Blutzuckerspiegel nicht gesteigert wird. Daher möchte das Gehirn mehr Zucker." Das Problem mit der Fruktose sei, dass sie direkt in die Leber geht. Wenn die Speicher dort voll sind, wird Fruktose in Fett umgewandelt. "Wenn man viel Fruktose ist, wird man erstens sofort dick und ist zweitens ständig hungrig", ist die Schlussfolgerung. Menschen, die vermeintlich gesunde Smoothies zu sich nehmen ("Obst ist ja gesund", seien besonders gefährdet, warnt Jochims.

Manipulierte Konsumenten

Überhaupt: Rund um den Zucker ranken sich viele Mythen. Alles, was die Diabetesforschung rund um den glykämischen Index entwickelt hat, stimmt für Diabetiker, aber nicht für Menschen mit intakter Bauchspeicheldrüse. Das selbe gilt für Süßstoff, den Jochims aus physiologischer Hinsicht noch gefährlicher als Zucker hält. Unwissen, so die Autorin, macht Konsumenten manipulierbar und die Konzerne nutzen das aus, um ihre Produkte besser verkaufen zu können.

Weil Zucker im körpereigenen Belohnungssystem eine zentrale Rolle spielt, ist die Gefahr süchtig zu werden, de facto sehr groß. Zucker zu essen, ist keine Entscheidung, sondern ein unbewusstes Bedürfnis, dem der Mensch ausgeliefert ist, so die These der Autorin. Wer das Buch selbstkritisch liest, fühlt sich manchmal wie ein Lemming.

Wer aus dem Teufelskreis aussteigen will, muss nur umdenken. Eine Tabelle mit dem Titel "Ernährungsmöglichkeiten, die heilen und zufriedenstellen", könnte da einen Anfang machen. Der schmale Band ist, wie gesagt kein Kochbuch, dafür aber eine Anleitung zu bewussten Kaufentscheidungen. Der allgemeingültige Rat der Autorin: Unverarbeitete Lebensmittel essen. Selbst kochen wäre also ein guter Anfang. (Karin Pollack, 7.12.2915)