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Ist Ihr Hund ängstlich oder gestresst? Dann bleiben Sie Tierenergetikern fern – die dürfen ihn nicht einmal untersuchen.

Foto: APA/dpa/Daniel Naupold

"Mein Ziel ist es, mit Dir gemeinsam mit meinen sanften Handauflegungen, Heilkräuter-Düften, meiner speziellen Musiktherapie ein glücklicheres Hunde-Seelen-Leben herbeizuführen." Das schreibt Reinhard Mut auf seiner Homepage. Er ist laut eigener Aussage "Österreichs Hundeflüsterer" und "1. staatlich anerkannter Tierverhaltensenergetiker". Und damit vergleichsweise berühmt: So gut wie jedes österreichische Medium hat schon über Mut und seine unkonventionelle Tiertherapie berichtet. Bei so gut wie jedem Fernsehsender ist er schon aufgetreten, um von seinen alternativen Behandlungen "ängstlicher und hyperaktiver Hundeseelen" zu berichten.

Wer sich in Österreich abseits der medizinischen Wissenschaften beruflich um die Behandlung kranker Tiere kümmern will, muss allerdings gut aufpassen. In Deutschland kann man sich beispielsweise zum "Tierheilpraktiker" ausbilden lassen. Diese Berufsbezeichnung ist allerdings nicht geschützt und benötigt daher eigentlich auch keine Ausbildung. Jeder der Lust hat, kann also diverse "alternativmedizinische" Praktiken an Tieren ausprobieren.

Wissenschaftlich derzeit nicht erfassbar

In Österreich dagegen ist dieser Beruf verboten. Das dürfte die esoterisch orientierten Tierhalter aber wenig stören, denn hierzulande muss man sich einfach nur "Tierenergetiker" nennen. Die Wirtschaftskammer definiert das Berufsbild ganz offiziell mit folgender Beschreibung: "Die Ausübung des Berufes umfasst alle Tätigkeiten, die sich auf das wissenschaftlich derzeit noch nicht erfassbare Energiefeld, das alles umgibt und durchdringt, beziehen, und schließt jede Form von Lebensenergie, Energielenkung und Energiefluss mit ein."

Und der ebenfalls von der Wirtschaftskammer festgelegte Methodenkatalog macht noch einmal mehr als deutlich, dass es sich hier definitiv um Tätigkeiten handelt, die "wissenschaftlich nicht erfasst" sind. Zur Arbeit eines Tierenergetikers gehört zum Beispiel die "Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen bzw. energetischen Ausgewogenheit mittels Chakra-Ausgleich". Aber auch die "Auswahl von Edelsteinen durch Irisenergethik" kann für die energetische Ausgewogenheit verwendet werden, genau so wie "Energieübertragung durch die Hände" oder "mittels Orgonenergie".

Tiertelepathie

Wem das immer noch zu wenig Esoterik ist, der kann sich aber auch anderweitig fortbilden. Zum Beispiel beim Schulungszentrum für Tierverhaltenstherapie und Erziehungsberatung (das ebenfalls Mitglied in der Wirtschaftskammer ist): Dort wird ein Lehrgang zu "Telepathischer Tierkommunikation" angeboten. Für insgesamt 780 Euro kann man nach 10 Monaten dann mit "kranken, traumatisierten, vermissten und sterbenden Tieren" kommunizieren.

Oder sich zumindest einreden, man könnte es. Denn wissenschaftlich belegt sind all diese "tierenergetischen" Therapien natürlich nicht. Das hat das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft aber nicht daran gehindert, im Februar 2015 den "Hundeflüsterer" Reinhard Mut anlässlich des 250-jährigen Bestandsjubiläums der Veterinärmedizinischen Universität Wien zu einem "Science Talk" einzuladen. Esoterische Behandlungsmethoden in so einem offiziellen Rahmen zu präsentieren, dient sicherlich nicht der "Steigerung des Verständnisses für Wissenschaft und Forschung", was aber eigentlich der Zweck dieser Veranstaltungsreihe sein sollte.

Parlamentarische Anfrage

Das sah auch Sigrid Maurer, Nationalratsabgeordnete der Grünen, so und stellte eine parlamentarische Anfrage an den zuständigen Minister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Darin wollte sie unter anderem wissen, wer für die Einladung von Reinhard Mut verantwortlich war und ob das Ministerium der Ansicht sei, dass es sich bei seiner Arbeit um eine "wissenschaftsbasierte Tätigkeit" handelt.

Die Antwort darauf war recht kurz und lautete "Nein". Die Frage, warum man ihn dann trotzdem zu einem "Science Talk" eingeladen hatte, war ebenfalls kurz, aber leider nicht mehr ganz so klar. Herr Mut sollte laut Ministerium "keine konkrete wissenschaftliche Perspektive zur Diskussion beisteuern" sonder sei halt einfach Teil der "breiten Diskussion zum sich verändernden Verhältnis Mensch/Tier".

Reinhard Mut jedenfalls scheint recht zufrieden mit der akademischen "Anerkennung" zu sein und präsentiert die Teilnahme am Science Talk prominent auf seiner Homepage, gemeinsam mit dem Logo des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft.

Ausbildung inexistent

Wer nun ebenfalls ein "staatlich anerkannter (Tier)Energetiker" werden und sich von Ministerien zu wissenschaftlichen Veranstaltungsreihen einladen lassen möchte, muss sich dafür nicht allzu sehr anstrengen. Wie einfach das gehen kann, hat kürzlich die Bloggerin Andrea Walter demonstriert. Da man keine Ausbildung oder einen Befähigungsnachweis benötigt, um sich "Energetiker" zu nennen, reicht es, einen entsprechenden Gewerbeschein bei der Wirtschaftskammer zu kaufen. Das wollte Walter tun und kündigte ihr Vorhaben im Internet zusammen mit einem Artikel an, in dem die Methoden der Energetiker satirisch/kritisch betrachtet wurden.

Das veranlasste die WKO zu der Aufforderung, "die 'diffamierenden Äußerungen' unverzüglich zu entfernen". Walter kam dieser Forderung allerdings nicht nach, sondern schickte der WKO weitere kritische Fragen zum Gewerbe der Energetiker. Diese wurden nicht beantwortet – stattdessen erhielt die Bloggerin den ursprünglich beantragten Gewerbeschein und darf sich nun "Humanenergethikerin" nennen.

Walter hat diese Geschichte genutzt, um die Aktion "Kein Gewerbeschein für Humbug" ins Leben zu rufen, die mehr Schutz für Patienten vor der Irreführung durch "Energetiker" und andere vorgeblich medizinische Berufsgruppen fordert.

Obwohl die Sache ja eigentlich recht klar ist: Denn selbst die WKO muss im offiziellen Berufsbild erklären, was den Tierenergetikern per Gesetz verboten ist. Unter anderem die "Untersuchung und Behandlung von Tieren". Womit eigentlich alles gesagt wäre... (Florian Freistetter, 8.12.2015)