Kandahar – Im der südafghanischen Provinzhauptstadt Kandahar haben die radikalislamischen Taliban den dortigen Flughafen angegriffen und sich in dem Komplex verschanzt. Nach Angaben der Provinzregierung durchbrachen mehrere Kämpfer das erste Tor des Geländes und bezogen Stellung in einer Schule. Vor Ort waren Schüsse und Explosionen zu hören, Informationen über Opfer gab es aber zunächst nicht.

Mohammed Mohsin Sultani, der Militärsprecher von Kandahar, sagte, er könne keine exakten Angaben zur Anzahl der Taliban-Kämpfer machen. Die afghanische Armee sei vor Ort und liefere sich heftige Kämpfe mit den Angreifern. Kandahar ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Süden des Landes.

Flughafen-Personal erklärte indes laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa), Talibankämpfer seien in die Wohngebäude von Flughafenangestellten eingedrungen und hätten Geiseln genommen. Das attackierte Gelände ist mehrere Kilometer vom zivilen Teil des Flughafens entfernt.

Die Taliban bekannten sich in einer Erklärung zu dem Angriff. Mehrere "Märtyrer" seien "ausgerüstet mit schweren und leichten Waffen" in den Flughafenkomplex eingedrungen und hätten die "Invasionstruppen" attackiert, hieß es in der Erklärung. Vor Ort gebe es "heftige Kämpfe", die andauerten.

Wegen der verschlechterten Sicherheitslage in Afghanistan hatte die NATO erst vor wenigen Tagen beschlossen, im kommenden Jahr ihre aktuelle Truppenpräsenz von rund 12.000 Soldaten praktisch unverändert beizubehalten.

Die Taliban hatten Ende September das nordafghanische Kunduz in einer Blitzoffensive erobert. Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten die Stadt erst nach mehreren Tagen mit internationaler Unterstützung zurückerobern.

Der Angriff vom Dienstag ereignete sich nur wenige Tage, nachdem das ungeklärte Schicksal von Taliban-Chef Mullah Akhtar Mansour für Verwirrung gesorgt hatte. Von Geheimdienstbeamten und aus Kreisen der Aufständischen hatte es Mitte vergangener Woche geheißen, Mansour sei bei einer Schießerei schwer verletzt worden. Am Freitag dann erklärte ein afghanischer Regierungssprecher, Mansour sei tot. Die Taliban-Führung wies dies zurück und veröffentlichte eine angebliche Audiobotschaft von Mansour, deren Echtheit zunächst aber nicht bestätigt werden konnte.

Die Kontroverse um Mansour wirft ein Schlaglicht auf die tiefen Gräben zwischen den rivalisierenden Fraktionen der Islamistenbewegung. Der Machtkampf behindert auch die Friedensgespräche der Aufständischen mit den Regierungen in Pakistan und Afghanistan.

Der afghanische Präsident Ashraf Ghani wird am Mittwoch zu einer Konferenz in Pakistan erwartet. Auch die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit Taliban dürfte auf der Agenda stehen. (APA, 8.12.2015)