Der Erfolg von Marine Le Pen und ihrem rechtsextremen Front National war im ersten Wahlgang erwartet worden. Der FN profitierte bei den Regionalwahlen aber nicht so sehr von der eigenen Stärke, sondern vor allem von der Schwäche und Mutlosigkeit der jüngsten Regierungen. Die seit längerem anhaltende französische Wirtschaftskrise, die Rekordarbeitslosigkeit und die steigende Steuerlast in Frankreich sind nur einige der Faktoren, die den Wählern das Gefühl geben, einen Ausweg finden zu müssen. Die Terroranschläge in Paris haben die Wählerflucht hin zu einfachen Antworten nur verstärkt. Die Atmosphäre der Angst musste diesmal von den Le Pens nicht erst angefacht werden.

Dass die Rezepte des FN – wie Abschied vom Euro, Abschottung der Grenzen oder ein Ende des Freihandels – an den Missständen im Land wenig verändern, ja sie im Gegenteil vermutlich verstärken würden, darum ging es in dieser Denkzettelwahl gar nicht. Die politischen Befugnisse der Regionen sind eher gering. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs drückt vielmehr die Angst der Wähler vor dem sozialen Absturz, vor dem Verlust von Sicherheiten und der zunehmenden Kluft zwischen Eliten und einfachen Menschen aus. Wenn diese Angst nicht ernst genommen wird, steht Frankreich bei den Präsidentschaftswahlen 2017 eine Überraschung bevor. Le Pen steht jedenfalls spätestens seit diesen Wahlen dafür in den Startlöchern. (Manuela Honsig-Erlenburg, 8.12.2015)