Heinrich Schmidinger ist noch Präsident der Universitätenkonferenz. Der Rektor der Universität Salzburg wird am Montag nicht mehr antreten, wenn die Rektoren aller öffentlichen Unis ihre neue Sprecherin wählen. Es kandidieren Sonja Hammerschmid von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Sabine Seidler von der Technischen Universität Wien. Im Interview mit dem STANDARD erklärt Schmidinger seine Entscheidung und führt aus, was er an der österreichischen Gesellschaft als deprimierend empfindet.
STANDARD: Sie sagen ganz offen, dass Ihre Amtszeit keine Erfolgsgeschichte war ...
Schmidinger: Ich mache etwas nicht besser, als es ist.
STANDARD: Was hätten Sie anders machen können, um eine positivere Bilanz ziehen zu können?
Schmidinger: Ich weiß nicht, ob ich es so viel anders hätte machen können. Man versucht immer sein Bestes. Natürlich hat das auch mit mir als Person zu tun. Ich bin ein Mensch, dem das Lautstarke nicht liegt und der von Kampf nicht viel hält, sondern auf stille Diplomatie und Vermittlung setzt. Bei dem Ergebnis muss ich zugeben, dass das vielleicht nicht der allerbeste Weg war.
STANDARD: Vor einem Jahr haben Sie gesagt, dass die zusätzlichen 615 Millionen Euro für die Unis "respektabel und anerkennenswert" sind. Jetzt sagen Sie, dass die Unis kaum mehr aufholen können. Was ist passiert?
Schmidinger: Die 615 Millionen für die kommenden drei Jahre waren unsere Mindestforderung schon vor eineinhalb Jahren, um den Status quo halten zu können. Im bekannt angespannten Staatshaushalt ist nur den Universitäten eine solche Menge Geld zusätzlich gegeben worden. Das habe ich in der Tat – und ich tue es immer noch – respektabel genannt. In der Zwischenzeit hat sich allerdings geändert, dass diese 615 Millionen für einiges andere herhalten müssen, als geplant war. Dadurch ist die Summe deutlich verringert.
STANDARD: Wie kam es dazu?
Schmidinger: Ein ganz wesentlicher Bestandteil war die Finanzierung der gestiegenen Ärztegehälter. Diese Position bewegt sich in dreistelliger Millionenhöhe. Wenn wir solche Dinge übernehmen müssen mit dem Geld, das wir eigentlich bräuchten, um den Status quo abzudecken, geht es sich nicht mehr aus.
STANDARD: Das Wissenschaftsministerium sagt, dass Erhöhung der Ärztegehälter aus einer Reserve bezahlt wird. Dadurch würde das Budget nicht geschmälert. Stimmt das nicht?
Schmidinger: Das ist eine Frage der Ettiketierung. Es gibt ein Gesamtbudget, aus dem wird eine Ministerreserve gebildet. Aus der heraus wird das bezahlt. Nur, letztlich ist es ein einziger Topf. Es ist egal, wo man es hernimmt, das Geld geht dann woanders ab.
STANDARD: Dass nicht mehr Geld für die Unis da ist, liegt auch an der Prioritätensetzung der Regierung. Warum haben die Hochschulen da so einen schlechten Stand?
Schmidinger: Das hängt damit zusammen, dass Wissenschaft und Forschung auch in der österreichischen Bevölkerung nicht jenes Standing haben, das sie in anderen Ländern besitzen. Dies findet seinen Widerhall in der Politik. Andere Länder wie die Schweiz und Deutschland sind uns da voraus.
STANDARD: Wie könnte man das Ansehen der Wissenschaft steigern?
Schmidinger: So etwas lässt sich nicht von heute auf morgen machen. Das setzt einen Kulturwandel voraus. Dieser Kulturwandel – und das ist es, was mich deprimiert – kommt deshalb nicht zustande, weil sich Österreich ständig mit anderen Problemen befassen muss. Nur ein Beispiel ist das Hypo-Desaster. Man reagiert immer ad hoc und nicht langfristig. Dadurch setzt kein Kulturwandel ein, der auch den ganzen Bildungsbereich einbeziehen müsste.
STANDARD: Die Regierung denkt also zu kurzfristig?
Schmidinger: Nicht nur die Regierung. Das ist leider ein verbreitetes Phänomen, das ganz Österreich charakterisiert. Wir denken über das Budget von heute und morgen nach, treffen aber keine langfristigen Entscheidungen. Wir könnten etwa sagen, dass für uns Wissenschaft und Forschung Priorität haben und dass wir deshalb Entscheidungen treffen müssen, die erst in zehn Jahren aufgehen. Das geschieht jedoch nicht. Hier klafft eine große Lücke zwischen dem, was angekündigt wird, und dem, was passiert. Alle Parlamentsparteien wollen zum Beispiel zwei Prozent des BIP für die Universitäten – de facto kommt es nicht dazu.
STANDARD: Apropos Pläne: In einem Universitätsentwicklungsplan bis 2021 sieht das Wissenschaftsministerium vor, 500 neue Professorenstellen zu schaffen. Für wie realistisch halten Sie das?
Schmidinger: Zunächst einmal finde ich es gut, dass es den Plan gibt. Ansonsten kann ich dazu nur sagen: Ich höre es wohl, allein, mir fehlt der Glaube. Auf der einen Seite gibt das Ministerium selbst zu, dass das Budget sehr knapp ist, auf der anderen Seite sollen 500 neue Professuren geschaffen und die Studienplatzfinanzierung in Angriff genommen werden. Ich sehe nicht, woher die Mittel kommen, die das abdecken sollen.
STANDARD: Mitterlehner schlägt eine stärkere Profilbildung der Universitäten vor. Kann das Schließen von Studienrichtungen sinnvoll sein?
Schmidinger: Wenn man sich auf die Zukunft einstellen will, muss man bereit sein, alles infrage zu stellen. Natürlich ist es notwendig, dass man unter anderem Studienrichtungen hinterfragt, die zu wenig nachgefragt sind. Das heißt nicht, dass man sie gleich schließen oder aufgeben muss. Man kann auch kreativ sein und zum Beispiel eine Studienrichtung mit zwei anderen Universitäten gemeinsam anbieten oder Studien innerhalb einer Universität bündeln.
STANDARD: Sie sagen, dass es zwischen den Universitäten an Solidarität fehlt. Warum?
Schmidinger: Seit 2002 sind Universitäten autonom und stehen auch konkurrierend zueinander. Es ist eine Kunst, eine Solidarität zwischen allen Universitäten herzustellen.
STANDARD: In welcher Situation wäre eine Zusammenarbeit der Unis besser gewesen?
Schmidinger: Wenn wir im Prozess der Leistungsvereinbarungen mehr gemeinsame Positionen hätten, würden wir sicher stärker sein. So verhandelt letztlich jede Universität für sich. Das ist verständlich, wir würden jedoch weiter kommen, wenn wir von Anfang an sagten, was für uns alle verhandelbar ist und was nicht.
STANDARD: Sie meinen, dass man so etwa hätte verhindern können, dass die Ärztegehälter in die Budgets fließen?
Schmidinger: Zum Beispiel, ja.
STANDARD: Die grüne Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer hat zuletzt gesagt, dass die Rektoren zu viel mit Minister Reinhold Mitterlehner "gekuschelt" hätten. Was halten Sie von dieser Kritik?
Schmidinger: Kuscheln war es sicher nicht. Ich habe es nicht an die große Glocke gehängt, es hat aber natürlich ebenso verschiedene Meinungen und Auseinandersetzungen gegeben.
STANDARD: Zwei Rektorinnen kandidieren für Ihre Nachfolge. Welche Eigenschaften brauchen sie?
Schmidinger: Es ist wichtig, dass sie eine Fähigkeit zur Vermittlung haben. Nicht nur nach außen, sondern ebenso nach innen. Da braucht es viel Geduld, Fingerspitzengefühl und Beharrlichkeit. (Lisa Kogelnik, 9.12.2015)