Bildungsentscheidungen sind immer auch Werteentscheidungen. Dass jahrelang beklagt wurde, dass es an Betreuungsplätzen für Vorschulkinder fehle, war einer solchen Werteentscheidung geschuldet: In Österreich herrscht weitgehender Konsens, dass Frauen ein eigenes Erwerbseinkommen erwirtschaften sollen – und dieses Ziel wird höher bewertet als das enge Zusammensein von Mutter und Kind in der Familie.

Zu Recht wurde im späteren Verlauf der Diskussion um diese Zielabwägung eingeworfen, dass es ja nicht bloß um das Aufpassen auf die Kinder in einer Betreuungseinrichtung gehen sollte, sondern um pädagogische Aufgaben. Eltern sollen wissen, dass es den Kindern im Kindergarten besser geht als daheim, weil sie gemeinsam mit Gleichaltrigen lernen können, was daheim allenfalls im Verband einer Großfamilie erlernbar ist: soziales Verhalten mit Gleichaltrigen zum Beispiel. Und, mindestens ebenso wichtig: zuhören, verstehen, mitreden.

Es ist leider ein Faktum, dass viele Kleinkinder von ihren Eltern heute keine Geschichten vorgelesen bekommen, dass ihnen in vielen Familien nicht geholfen wird, die Welt (zumindest ihre kleine Welt) halbwegs zu verstehen, und dass ihnen auch nicht zugehört wird, wenn sie zu artikulieren versuchen, was sie bewegt, was sie fühlen, was sie wissen wollen.

Viele Eltern – keineswegs nur jene mit Migrationshintergrund – setzen ihre Kinder gerne vor den Fernsehapparat, um sie ruhigzustellen.

Dass es besser ist, Kindern ein zweijähriges elementarpädagogisches Programm zu bieten – und es ihnen notfalls aufzuzwingen –, ist eine Erkenntnis, die in der österreichischen Politik glücklicherweise angekommen ist. Hier hat die Koalition durchaus etwas bewegt.

Nicht ganz so klar ist, was die Kinder genau lernen sollen – die Koalitionspartner haben sich bisher nur auf Formales (wie die Kindergärtnerausbildung oder den Bildungskompass) und auf das Prinzip der sprachlichen Frühförderung verständigt.

Und schon streiten sie darum, was die lieben Kleinen nicht lernen sollen. Eine Studie zeigt auf, dass in manchen Kindergärten nicht Deutsch gesprochen wird, dass Kinder Koransuren auswendig lernen müssen und dass womöglich Islam-Fundis als Betreiber dahinterstecken. Die ÖVP hält das für bedenklich, die SPÖ hält das für unbewiesen, die islamische Glaubensgemeinschaft hält allein schon die Frage danach für "unmenschlich".

Wahr ist: Der Kindergarten soll auf ein glückliches Leben vorbereiten und den Kindern dazu alle Chancen eröffnen. Die Beherrschung der deutschen (und der englischen) Sprache gehört dazu – das Erlernen unserer Sitten und Gebräuche, das Kennenlernen unserer Kunst und Kultur ebenfalls. Und zu einem glücklichen, erfüllten Leben kann auch die Religion dazugehören. Dass man da den Kindern nicht den Himmel versprechen oder ihnen mit der Hölle drohen darf (von beidem haben die meisten Erwachsenen ja auch keine Ahnung), sollte selbstverständlich sein. Auch christliche Kindergärten, ebenso die durchaus parteipolitisch geprägten Einrichtungen der Kinderfreunde, halten sich ja im Allgemeinen mit Indoktrination zurück.

Aber man kontrolliert sie, wie es sich gehört. Dass man bei manchen – nicht nur den angeblich salafistischen – genauer hinschauen wird, ist klar. Die Werteentscheidung, welche Bildung die Kinder bekommen, kann man den Eltern ohnehin nicht abnehmen. (Conrad Seidl, 8.12.2015)