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Linz/Sarajevo – Der für 30 Verhandlungstage anberaumte Prozess gegen einen gebürtigen Bosniaken, der im Jugoslawienkrieg 16 Menschen ermordet und deren Dorf angezündet haben soll, ist am Mittwoch im Landesgericht Linz gestartet. Der mittlerweile österreichische Staatsbürger bekannte sich nicht schuldig, seine Anwälte wollen einen Freispruch. Einige Fragen blieben offen. Der Prozess wird am 15. Jänner fortgesetzt.

Dem Angeklagten wird 16-facher Mord, dreifacher Mordversuch, elffache vollendete und einmal versuchte Brandstiftung zur Last gelegt. Detailliert schilderte Staatsanwältin Doris Fiala in ihrem Eröffnungsplädoyer, was in der Morgendämmerung des 17. September 1992 in dem serbischen Bauerndorf Serdari in der Provinz Kotor Varos geschah: Sieben Männer, sieben Frauen und zwei Kinder seien aus Rache für serbische Angriffe von Kroaten und Bosniaken erschossen und sechs Häuser angezündet worden. Anhand von Fotos verdeutlichte sie den Geschworenen den Hergang des Überfalls durch die Territorialarmee.

Vier mutmaßliche Haupttäter fassten 2014 in Sarajevo Haftstrafen zwischen neun und elfeinhalb Jahren aus. Im Jänner 2015 wurde das Urteil aber wegen Formalfehlern aufgehoben. Im Zuge des Verfahrens belasteten zwei Zeuginnen auch den 48-jähriger Österreicher. Die Staatsanwaltschaft Linz beruft sich in ihrer Anklage auf die Aussagen dieser Frauen. Eine, die den Angriff überlebt hat, sagte bereits 1993: "Ja, ich habe ihn genau erkannt, an seiner Stimme und an seinem Aussehen", verlas Fiala das seinerzeitige Einvernahmeprotokoll.

Vage Angaben zu Zeiten und Namen

Verteidiger Jürgen Nowotny stellte in Zweifel, wie eine Person einen jungen Mann an dessen Stimme identifizieren könne, den sie nur als Volksschüler erlebt habe. Abgesehen davon beteuere sein Mandant, beim Überfall nicht einmal dabei gewesen zu sein. Was den Baggerfahrer, der heute bei Linz lebt, aber am meisten entlaste: "Er hat kein Motiv für eine Vergeltung an den Serben, denn alle seine Verwandten kamen unversehrt davon", betonte Nowotny.

Der Angeklagte bestritt vehement, jemals in der Territorialarmee gekämpft zu haben – weder am Tag des Massakers noch während des Krieges überhaupt. Insgesamt blieb er mit seinen Angaben zu Zeiten und Namen eher vage. Er schilderte, dass er sich nach serbischen Angriffen wie etliche andere in das Dorf Vecici zurückgezogen habe. Dort sei er für die Beschaffung von Nahrung zuständig gewesen. Ob er nicht Genugtuung empfunden habe, dass es mit Serdari auch einmal ein serbisches Dorf erwischt hat, wollte Richter Rainer Nimmervoll wissen. Antwort: "Das war nicht so interessant. Wir hatten jeden Tag Tote."

Im Laufe der Verhandlung taten sich allerdings Widersprüche und offene Fragen auf: Wann er eingeschult wurde, konnte der Angeklagte ebenso wenig beantworten wie die Frage nach dem Zeitpunkt seines Einrückens zum jugoslawischen Militär. "Sie wissen heute nicht, wann Sie in die Volksschule gegangen sind, wann sie beim Militär waren. Das ist für mich nicht sehr glaubwürdig", sagte ein Beisitzer. Hatte der 48-Jährige bei der Polizei noch behauptet, zum Zeitpunkt des Überfalls in den Wäldern der Region gewesen zu sein, sagte er nun, er habe sich in Vecici aufgehalten. Er versicherte aber, nie eine Waffe besessen oder gekämpft zu haben.

Da sich der Verteidiger gegen ein Verlesen von Zeugenaussagen aus dem Ermittlungsverfahren aussprach, bevor die Betreffenden vor Gericht gehört worden sind, wurde die Beschuldigteneinvernahme am Mittwoch beendet. Ein ursprünglich vorgesehener Verhandlungstag am 16. Dezember entfällt. Der Prozess geht am 15. Jänner weiter. Ein Urteil dürfte erst im Sommer gesprochen werden. Der Strafrahmen beträgt fünf bis 20 Jahre. (APA, 9.12.2015)